Re: Eure Album-Top100

#227009  | PERMALINK

friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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wahrDer Schlüssel zu Dylan ist die Akzeptanz seine Stimme. Und das war’s, wobei mir Modern Times geholfen hat. Ein paar Details dazu, wie ich lernte Dylan zu schätzen, was Dylan und Dub gemeinsam haben und ein paar andere Dinge, die mir zu Dylan immer mal so eingefallen sind, kannst du auf Lärmpolitik, meinem kleinen weltberühmten Blog, nachlesen.

Als ich 14 Jahre alt wahr traf Bob Dylans Stimme mit der LP Desire bei mir voll ins Schwarze. Selbstbewusst, trotzig, zornig, penetrant, meinetwegen auch arrogant. Genau: Keiner kann ihm was! Alles was ich sein wollte, aber mich selbst nicht traute, wie ich aus der Distanz von mehreren Jahrzehnten sagen kann. Der Klang war es! Dein Vergleich mit Johnny Rotten ist vielleicht gar nicht mal so schlecht!

Wovon Dylan sang, habe ich damals nur teilweise verstanden, aber ich konnte mir einbilden, beim Anhören einer Bob Dylan-Platte Teil von etwas zu sein, das irgendwie rebellisch, politisch und poetisch war. Das funktionierte als Begründung für mich ganz gut, wenn ich das eigentliche – die sinnliche Qualität von Bob Dylans Stimme – nicht beschreiben konnte. Kann man ja auch schlecht, denn das entzieht sich den Worten. Aber da fängt Musik an. Edit: Vielleicht wäre es in einem Umfeld, das sich betont rational gab, auch nicht so einfach akzeptiert worden, sich auf so etwas schwer erklärbares, sondern rein sinnliches wie Klang zu berufen.

Bob Dylan hat als wandelnde Woody Guthrie-Jukebox angefangen, hat den singenden Hobo gedarstellert, hat die Beat Poets in Musik übersetzt, Folk, Blues, Country, Rock, Gospel uvam. gespielt. Alles Versatzstücke amerikanischer Kultur und ich denke gerade im Segment Americana geht es immer auch um das Verarbeiten, Verwandeln und Remixen des Vorgefundenen. Wie oft ist im Blues die archetypische Zeile „Woke up this morning / All I had was gone“ gesungen worden? Aber keiner hätte im Ernst behauptet, dass er der Urheber dieser Zeilen ist und das selbst erlebt hat. Vielleicht hat Dylan nur etwas weiter über den Tellerrand rausgeschaut und auch mal bei französischen Lyrikern, bei der British Invasion, und vielleicht auch aus einem japanischen Yakuza-Roman geklaut. Das Prinzip bleibt das gleiche.

Bob Dylan ist ja immer wieder das Opfer seiner eigenen Fans gewesen, die seine Privatperson auf seine künstlerische Persona festzunageln versuchten. Aber: „It’s Haloween. I’ve got my Bob Dylan mask on.“

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“There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.”                                                                                                                                          (From the movie Sinners by Ryan Coogler)