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wahrSo, meine Top100 (Stand: 09.09.2014).
Mit praktischen, mehr oder weniger aussagefähigen und recht spontanen Kurzkommentaren.
Ich will da noch meinen Senf dazugeben. Deine ebenso geistreichen wie treffenden Taglines zu den Alben gefallen mir so sehr, dass ich die Idee gleich geklaut habe.
2 The Beatles – The Beatles
Das kreativ umgesetzte Ende der Lebensform „Band“ und der Anfang der Lebensform „Individuum lässt sich von anderen Individuen helfen, geht dann aber eigene Wege mit teilweise wieder ganz anderen Individuen“. So wie im wirklichen Leben halt.3 Neil Young – On The Beach
Young am Boden und sich gerade wieder aufraffend. Sowas wie die ruhigen, intensiven, schon wieder langsam austeilenden Elegien auf Seite 2 hat er nie wieder hinbekommen. Und bis auf den Herrn auf Platz 7 hat es auch nie wieder jemand geschafft, Young darin das Wasser zu reichen.4 Cpt. Beefheart And His Magic Band – Trout Mask Replica
Das Moby Dick der amerikanischen Musik.9 The Rolling Stones – Some Girls
Ihre Beste, meiner bescheidenen Meinung nach. Reflektionen über sich selbst und New York, mit Punk und Disco im Hintern.11 Velvet Underground – White Light/White Heat
Brachte Lärm in mein Leben, der sich nie wieder verzog.12 Pere Ubu – The Modern Dance
Die Faszination von Industrieanlagen, klirrende Gläser und ein paar Teenagerprobleme. Clevelands beste Surf-Band.13 The Rolling Stones – Beggars Banquet
Eine Burleske (oder Groteske?) in durchschlagendem, fast rein akustischen Gewand.17 PiL – Metal Box
Verlagerte das herkömmliche Soundkonzept von Gitarre-Bass-Drums-Gesang.20 Bob Dylan – Modern Times
Mit Dylan habe ich es im Moment nicht so. Aber Modern Times gab mir als erstes Album einen Schlüssel zur Hand, mit dem ich einen Zugang öffen konnte. Danach rollte ich das Dylan-Feld von hinten auf. Stelle ich die Top100 Liste während eines Dylan-Rappels zusammen, hätten hier 3-5 Alben Platz.26 Neil Young – Rust Never Sleeps
Best of both worlds (Elektrisch, Folk).27 John Cale – Fear
Zwischen Wut, Romantik und Güte. Aber eigentlich immer gefährlich.33 Hüsker Dü – Flip Your Wig
Die Byrds mit Hardcore-Vergangenheit und ähnlich hohem Streitpotenzial38 Brian Eno – Another Green World
Noch Song, schon davon abstrahiert. Die Platte eines unerkannt bleiben wollenden Königs, der in einer untermöblierten Bauhaus-Bude wohnt.45 Scientist – Scientist Wins The World Cup
Die Scientist-Serie mit den Comic-Cover auf dem Reggae-Label Greensleeves bildete einen tiefen Sample-Pool für spätere Neo-Dubber wie Unitone HiFi oder die Crooklyn/WordSound Posse. Hier mein liebstes der Dub-„Originale“ von Scientist. Metallischer und klarer als der zischelnde King Tubby (der aber an anderer Stelle in dieser Liste gewürdigt wird)46 Curtis Mayfield – Superfly
Groove-und soundmäßig immer noch erste Sahne. Meine liebste von Mayfield.50 Portishead – Dummy
Mit Portishead kam gewaltige Verlangsamung in die Indie-Welt. Eine der prägendsten Platte der 1990er. Etwas überhört, ziehe ich aktuell „Third“ meist vor52 Young Marble Giants – Colossal Youth
Ich bin allem verfallen, was hier spielt. Eine damals völlig neue, karge Sounderfindung. Ich bin sowieso Fan der Rhythmus-Box.53 Slits – Cut
Schlitze. Schnipp! Mit federndem Reggae, Off-Beat-Gesang und selbsterfundenen punky Jingle-Gitarren. Ein feministisches Album, dessen Cover der Feminismus erstmal verdauen musste55 Jan Jelinek Avec The Exposures – La Nouvelle Pouvreté
Ich glaube, es geht um Model-Welten. Der Jelinek-Groove ist so speziell wie derjenige von Can oder Neu!, er ist aber schwieriger zu fassen, weil alle Parts und Bits und Pieces an ihm in magischer Weise teilhaben57 Cpt. Beefheart And His Magic Band – Lick My Decals Off, Baby
Der Käptn mit übriggebliebenen Arbeitsgrundlagen von „Trout Mask“ und der genialen Idee, die zweite Gitarre durch ein Marimbaphon zu ersetzen.60 Television – Marquee Moon
Jazz.61 Stevie Wonder – Songs In The Key Of Life
Übervoller und vielleicht perfektester Songreigen aller Zeiten.63 Neu! – Neu!
Der Groove des Horizonts ohne amerikanische Einflüsse.67 The Go-Betweens – Send Me A Lullaby
Scheint mir ihr perfekter Augenblick zu sein.73 The Byrds – Younger Than Yesterday
Die freundliche Seite der Psychedelik wird mit recht außerweltlichen Melodien gefeiert.83 Jeffrey Lee Pierce – Wildweed
Konzentrierter als der Gun Club, bei nicht geringerer Leidenschaft.84 Fleetwood Mac – Rumours
Beziehungszerstörung und -findung und -zerstörung und -findung auf Koks und zigfach-Platin.85 Neneh Cherry & The Thing – The Cherry Thing
Machte mich mit der Energie von Mats Gustafsson bekannt.91 Miles Davis – Get Up With It
Meine liebste von Miles Davis. Mag ich etwa den Orgelspieler Miles Davis lieber als den Trompetenspieler?97 Saint Vitus – Born Too Late
Die Epigonen sind oft besser als die Originale. So auch diese Sabbath-Wiedergänger, die lähmende Metal-Tracks auf SST veröffentlichten. Der Doom im Metal fand hier seinen Anfang.98 Pyrolator – Ausland
New York, ein heißer Sommer und der Spielzeugbaukasten von Der Plan. Kurt Dahlke hat eine der unterhaltsamsten elektrotropikalischen Platten diesseits des Rheins aufgenommen.100 David Bowie – Hunky Dory
Berlin-Phase hin oder her, ich mag den etwas überkandidelten, selbstironischen Bowie besonders auf Hunky Dory sehr gerne. Traumhaftes Songgespür allerorten. Und Rick Wakeman ist einfach ein toller Musiker, wenn man ihn im Zaum hält. Voll süß auch, wie Wakeman in dieser Bowie-Doku letztens im TV schwärmte. Aus der Erinnerung: „Also wie Bowie da den Akkord –zack- der eigentlich gar nicht passt, aber den er da hinhaben wollte, und dann klingt das … Moment … ich versuch’s mal eben zu spielen, habe ich seit damals nicht … so, jetzt … (Wakeman spielt eine Passage von „Life On Mars“ auf Anhieb perfekt auf dem Klavier), … also das ist absolut super und typisch David. Muss ich zuhause sofort nochmal nachspielen!“
Vieles kenne ich nicht aber die obigen Alben kenne oder habe ich oder kann sie zumindest einordnen und weiß sie daher einigermaßen zu schätzen.
Trout Mask Replica werde ich nie kapieren und halte sie für unanhörbar. Über Neil Young-Alben kann man streiten. Ich habe in meiner Liste ein eher obskures NY-Werk (American Stars…), aber NYs Oeuvre ist ja auch sehr eigenwillig und wechselhaft. Some Girls muss ich mir mal anhören. Stones und Disco finde ich ja gut. Die Wahl von Dylans Modern Times finde ich erstaunlich. Kenne Dylans Spätwerk nach Love & Theft zwar nicht, habe aber das Gefühl, dass das eine eher wenig überraschende Sache ist. Wo doch sein Oeuvre früher so reich an Überraschungen war. The Slits waren geniale Dilettantinnen, deren Musik in meinen Ohren ganz schön zickig klingt. Aber das gehört wohl so. Die erste Go-Betweens hatte ich mal. Das Stück Careless habe ich geliebt, Eight Pictures auch, wenngleich ich die Platte für etwas spröde halte. Aber die Go-Betweens waren sowieso immer etwas spröde. Auch Jeffrey Lee Pierce stand bei mir mal im Schrank und ist leider irgendwo abhanden gekommen, worüber ich mich jetzt ärgere. Jan Jelinek: das erwähnte Album kenne ich nicht, aber das, was ich von ihm kenne, ist toll! Mit Dub muss ich mich noch weiter befassen. Und natürlich ist Hunky Dory eine tolle Platte!
Wofür ich Dich aber besonders herzen möchte, ist die Erwähnung von Pyrolators Ausland, dieses
elktrotropikalische
Schatzkästchen. Ich habe die nicht, erinnere mich aber noch ganz gut an diese Platte. Sicher eine der besten Platten, die die frühe NDW hervorgebracht hat.
Das viele mir unbekannte Zeug und die entsprechenden Taglines machen neugierig!
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“There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.” (From the movie Sinners by Ryan Coogler)