Re: Eure Album-Top100

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friedrich

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Tolle Listen von wahr und Skinny!

Ich habe es dem Forianer wahr mal nachgemacht und meine 100 Platten für die Ewigkeit in kommentierter Form aufgelistet. Ein Spiegelbild meines hoch promiskuitiven Hörverhaltens. Keine qualitative Wertung sondern eine chronologische Liste, da für mich besser oder schlechter als … hier keinen Sinn ergeben. Ich liebe diese Platten wegen ihrer Verschiedenartigkeit.

Thelonious Monk – The Best Of The Blue Note Years (1947-52)
Gleich zu Anfang eigentlich eine Compilation und kein Album, ich weiß. Aber Genius Of Modern Music Vol. 1 + 2 habe ich nicht und selbst das sind im engeren Sinne Compis. Aber nirgendwo sonst kann man das frühvollendete verrückte Genie Monk so konzentriert hören.

Duke Ellington – Ellington Uptown (1953)
Seine besten Sachen hat der Duke in den 40ern gemacht, aber Uptown ist eine seiner ersten und gelungensten Vorstöße ins LP-Format.

Sonny Rollins – Saxophone Colossus (1956)
Hard Bop goes Calypso, Brecht-Weill und anderes.

Cannonball Adderley – Something Else (1958)
Die bessere Kind Of Blue. Meine bescheidene Meinung.

Charles Mingus – Mingus Ah Um (1959)
Wie Jelly Roll Morton, Duke Ellington, Lester Young und Charlie Parker auf Speed.

Gene Ammons – Boss Tenor (1960)
Der Tenorsax-Boss. Hier zart, ganz zart.

King Curtis – The New Scene (1960)
Nur Hard Bop. Aber wie!

Gerry Mulligan Meets Johnny Hodges
(1960)
Samtweicher Bariton und ebensolches Alt treffen aufeinander und verstehen sich bestens.

John Coltrane – The Complete Africa / Brass Session (1961)
Die Orchestrierung gibt Coltrane extra Pepp und hält ihn gleichzeitig im Zaum.

Yusef Lateef – Eastern Sounds (1961)
Jazz mit fernöstlicher Note. Bezaubernd.

Kenny Burrell – Midnight Blue (1963)
Mit dem Schmusebär Stanley Turrentine am Sax. Zartherb.

Gil Evans – The Individualism of Gil Evans (1964)
Diese Klangflächen, Texturen, Schattierungen gibt es tatsächlich nur bei Gil Evans.

Terry Riley / Bang On A Can – In C (Komposition: 1964, Aufnahme: 2001)
Die Erfindung der hypnotischen Monotonie.

Muddy Waters – Folk Singer (1964)
Als unplugged Aufnahme eigentlich untypisch für Muddy Waters. Aber die Platte klingt so, als hätte er sein Leben lang nichts anderes gemacht.

Wayne Shorter – Speak No Evil (1964)
Das Miles Davis-Quintet mit Wayne Shorter, Herbie Hancock, Ron Carter und Tony Williams aber Freddie Hubbard statt Miles und natürlich Wayne Shorter als Leader. WS als Komponist, Bandleader und Saxophonist im Zenit seines Könnens.

The Velvet Underground – The Velvet Underground & Nico (1966)
Szenen aus dem Leben der Boheme Vol. 1.

Captain Beefheart – Safe As Milk (1967)
Weißer Fake Blues mit Kratzstimme.

Jefferson Airplane – Surrealistic Pillow (1967)
Die Haare waren noch nicht so lang, die Songs kurz und knapp. Folk, Rock, beginnende Psychedelia. Es muss Anfang 1967 keinen cooleren Ort als Haight-Ashbury gegeben haben. Und wer ist nicht in Grace Slick verliebt?

Aretha Franklin – I Never Loved a Man the Way I Love You (1967)
“Hey Nineteen, that’s ‚Retha Franklin / She don’t remember the Queen of Soul / It’s hard times befallen the Soul Survivors / She thinks I’m crazy but I’m just growing old” (Steely Dan)

The Beatles – White Album (1968)
Eine Collage der damals besten Popmusik der Welt, wenn nicht sogar der Beatles, auf vier Plattenseiten eingefangen. Und Revolution #9.

Miles Davis – In A Silent Way (1969)
Mit Kriechstrom dahin fließender Jazz

Elvis Presley – From Elvis In Memphis (1969)
Selbstbildnis des Sängers als Mann in den besten Jahren. Am besten in der Version, die alle damals gemachtem Aufnahmen enthält: Suspicious Minds – The Memphis 1969 Anthology.

Bob Dylan – New Morning (1970)
Sicher keine zentrale Platte in Dylan’s Oeuvre, aber was ist da schon zentral? Für mich aber eine seiner entspanntesten und musikalisch schönsten Platten.

Antonio Carlos Jobim – Stoneflower (1970)
Saudade im über-sophisticateten CTI Sound. Könnte auch als Fahrstuhlmuzak missverstanden werden.

Van Morrison – Moondance (1970)
Van Morrison lebt offenbar in aller Ewigkeit in einer mythisch verklärten Jugend in Belfast . Kann man hier sehr schön hören.

Rolling Stones – Sticky Fingers (1971)
Da ist fast alles drin, was die Stones so gut machte.

Sly & The Family Stone – There’s A Riot Going On (1971)
Der Aufstand wird wegen Drogensucht des Anführers abgesagt.

T. Rex – Electric Warrior (1971)
Marc Bolan was born to boogie und um mit endlos langen Locken wie ein schwuler Gockel „Life’s a gas“ zu singen und dazu Elektro-Gitarre zu spielen.

Miles Davis – On The Corner (1972)
Abstrakter Jazz-Funk kurz vorm Kabelbrand.

Lou Reed – Transformer (1972)
Szenen aus dem Leben der Boheme Vol. 2 und vielleicht die beste Platte, die David Bowie je gemacht hat.

Stevie Wonder – Talking Book (1972)
Reifer Soul in den besten Jahren.

James Brown – The Payback (1973)
Der beste Groove, den James Brown je gespielt hat. Und er hat eine Menge Grooves gespielt.

Can – Future Days (1973)
Wenn die Zukunft so frei und entspannt daher fließt wie auf Future Days, kann sie kommen. I love Damo Suzuki.

Bruce Springsteen – The Wild, The Innocent & The E Street Shuffle (1973)
Nie war es aufregender, jung, wild und unschuldig zu sein und den E-Street Shuffle zu tanzen.

Frank Zappa – Overnite Sensation (1973)
Rock, Dada und Austausch von Körperflüssigkeiten.

Herbie Hancock – Thrust (1974)
Elektrischer Jazz, mal lyrisch, mal funky, mit Synthesizer und Wah-Wah.

Joni Mitchell – Court And Spark (1974)
„Help me / I think I’m falling in love again /
When I get that crazy feeling / I know
I’m in trouble again“

Brian Eno – Discreet Music (1975)
Diskrete Musik. Zwei völlig unterschiedliche LP Seiten, einmal ein loop als perpetuum mobile, einmal ein remixter barocker Canon

Curtis Mayfield – There’s No Place Like America Today (1975)
Noch mehr reifer Soul, hier mit Fistelstimme.

David Bowie – Low (1977)
Allein schon wegen der zweiten, instrumentalen Seite. Auch wenn das erste Stück dort Warszawa heißt, denke ich dabei immer an die Berliner Mauer im November.

Iggy Pop – Lust For Life (1977)
Iggy Pop hat keine Chance aber er nutzt sie und poltert sich durch West-Berlin.

The Ramones – Rocket to Russia (1977)
Hey! Ho! Let’s go!

Steely Dan – Aja (1977)
Perfection and Grace and Decadence

Neil Young – American Stars ’n Bars (1977)
Eigentlich ein Kuddelmuddel von Folk, Country, Hard Rock aber vielleicht gerade deswegen eine so gute Neil Young Platte. Tolles Cover!

Suicide – 1st Album (1977)
Post-Watergate, Post-Vietnam und kurz vorm Stromausfall. Die Filmmusik zu Taxi Driver hat Bernard Herrmann geschrieben. Suicide hätten auch gut gepasst.

Marvin Gaye – Here My Dear (1978)
Szenen einer Ehe über vier Plattenseiten ausgewalzt.

Kraftwerk – Die Mensch Maschine (1978)
Klingt so wie sie heißt.

Steve Reich – Music For 18 Musicians (1978)
Noch mehr hypnotische Montonie.

Sun Ra – Lanquidity (1978)
The Sun Man goes electric.

Joy Division – Unknown Pleasures (1979)
So tiefschwarz und schön klingt die Depression einer Nordenglischen Industriestadt Ende der 70er.

The Clash – London Calling (1979)
So was wie das White Album des Punk. Aber eigentlich kein Punk mehr.

Brian Eno & David Byrne – My Life In The Bush Of Ghosts (1980)
Mein Leben im rhythmischen Busch der gesampleten Geister.

The Fall – Slates (1980)
Das erste, was ich je von The Fall gehört habe. Mini-LP, gerade mal 20 Minuten. Ich habe nie was besseres gefunden.

Talking Heads – Remain In Light (1980)
Die ersten Takte von Remain In Light trafen mich Anfang 1981 wie ein Schlag. Danach sah die Welt anders aus. Nie zuvor so elektrisierende und dichte Musik gehört.

Young Marble Giants – Colossal Youth (1980)
Der ikonoklastische Krach von Punk machte diese eigenwillige, introvertierte und minimalistische Musik wohl erst möglich. Gleichzeitig typisch und untypisch für ihre Zeit und auch Jahrzehnte später noch einzigartig.

Deutsch Amerikanische Freundschaft – Alles Ist Gut (1981)
Stieß damals allen vor den Kopf und traf damit mitten ins Schwarze.

The Human League – Dare! (1981)
Das Zentrum des Elektro Pops. Klingt charmant nach frühen 80ern ist aber auch gut gealtert und schlauer als das zu Tode gedudelte Don’t You Want Me vermuten lässt.

Japan – Tin Drum (1981)
New Wave goes Far East.

Grace Jones – Nightclubbing (1981)
„Feeling like a woman / Looking like a man“ Eiskalter Sex.

Lounge Lizards (1981)
Manchmal ist der Fake besser als das Original.

Die Partei – La Freiheit Des Geistes (1981)
Ein obskures Nebenprodukt der NDW. Instrumentaler Elektro Pop der bildenden Künstler Tom Dokoupil und Walter Dahn.

Soft Cell – Non-Stop Erotic Cabaret (1981)
Elektro Pop macht einen Ausflug ins Rotlichtviertel. Enttäuschte Liebe, Lust und Laster. Der Sex Dwarf lässt die Peitsche auf den Po von Disco Dollies knallen.

Donald Fagen – The Nightfly (1982)
Rückblick aus dem digitalen Zeitalter in eine Jugend in den 50er / 60er Jahren als noch alles möglich schien.

Prince – 1999 (1982)
Dance, Music, Sex, Romance in der Computerwelt.

Roxy Music – Avalon (1982)
Perfection and Grace and Ennui.

Jesus And Mary Chain – Psychocandy (1985)
Phil Spector trifft Velvet Underground. Süßer Krach.

Felt – Forever Breathes The Lonely World (1986)
Bandleader Lawrence hielt Marquee Moon für die beste Platte aller Zeiten und versuchte Tom Verlaine zu imitieren. Zum Glück gelang ihm das nicht und so kam etwas viel schöneres dabei heraus.

Hüsker Dü – Warehouse: Songs And Stories (1987)
Zum Schluss wird noch mal alles gegeben. Eigenartig höhenlastiger metallischer Sound. Süßer Schmerz.

808 State – Ninety (1989)
Die Erfindung des Techno-Albums.

De La Soul – 3 Feet High And Rising (1989)
Stellvertretend für den hier völlig unterrepräsentierten Hip Hop. Mit De La Soul wurde Hip Hop bunt, lustig und verspielt. Später wurde er wieder anders.

Cocteau Twins – Heaven Or Las Vegas (1990)
Da Elizabeth Frazier singt wie ein Engel würde ich sagen: Heaven.

Pet Shop Boys – Behaviour (1990)
Elektro Pop wird nachdenklich und analog.

Massive Attack – Blue Lines (1992)
Verlangsamte damals mit seinen sämigen grooves alles auf Superzeitlupe.

Naked City – Radio (1993)
Charles Mingus, Ennio Morricone, Morton Feldman, Napalm Death, Booker T., Carole King und -zig andere machen zusammen Musik.

Autechre – Tri Repetae (1995)
Autechre haben die fiesesten Sounds und machen daraus die schönste Electronica.

Oval – 94 Diskont (1995)
Rhythmisches Klicken einer defekten CD. Ist das überhaupt Musik?

To Rococo Rot – The Amateur View (1996)
Electronica mit Schlagzeug und Bassgitarre oder Rock mit Synthesizer? Ambient oder Pop? Auf jeden Fall reine Schönheit.

Mouse On Mars – Instrumentals (1997)
Die hyperaktive Electronik von MOM hier mal in Superzeitlupe.

Squarepusher – Hard Normal Daddy (1997)
Drum’n’Bass goes Jazz.

Stereolab – Dots And Loops (1997)
Retrofuturismus mit Blick auf die Copacabana.

Studio 1 (1997)
Wie minimalistisch kann Techno werden und trotzdem spannend bleiben?

Dave Douglas – Charms Of The Night Sky (1998)
Klingt so als ob Osteuropäische Folklore auf Gil Evans treffen würde.

Pole – 1 (1998)
Electronic Dub oder Dub Electronica mit knisterndem und knackendem defektem Gerät in Superzeitlupe. Es gibt auch noch Nr. 2 und Nr. 3.

Marc Ribot – The Prosthetic Cubans (1998)
Falsche Kubaner. Manchmal klingt der Fake besser als das Original.

Tortoise – TNT (1998)
So etwas wie Alternative Prog oder New Wave Kraut.

Steven Bernstein – Diaspora Soul (1999)
Jüdische Weisen go Cuban Jazz. „Who loves a Cha Cha more than the Jews?“ (S.B.)

Bill Frisell – Ghost Town (2000)
Selbstportrait des Gitarristen zur Geisterstunde.

Guy Klucevsek / Alan Berne – Accordance (2001)
Osteuropäische Folklore mit Akkordeon und Klavier trifft auf die Avantgarde der Lower East Side.

Jan Jelinek – Loop-Finding-Jazz-Records (2001)
Hört sich gar nicht nach Jazz an, auch wenn behauptet wird, dass die Platte aus Jazz Samples zusammengebaut wurde. Was man hört, ist fein pulsierende understatete Electronica, zu der ich übrigens gut einschlafen kann.

The Black Keys – Rubber Factory (2004)
Vintage Rock mit Groove, Soul und Gepolter.

Andrew Peckler – Nocturnes, False Dawns & Breakdowns (2004)
Elektronische Cut-Up Sounds bis ans Ende der Nacht.

J Dilla – Donuts (2006)
Ein heißer Ritt durch die Plattensammlung von J Dilla.

Gui Borrato – Chromophobia (2007)
Techno mit Sonne im Herzen.

Frank Bretschneider – Rhythm (2007)
Der Titel ist Programm: Minimalistische, fast rein perkussive Electronica

Flying Lotus – Los Angeles (2008)
Instrumentaler Hip Hop, neblig, knisternd, dämmrig.

The Kills – Midnight Boom (2008)
Alles, was R’n’R und das Leben der Boheme so aufregend machte, ins 21. Jhdt. herübergerettet.

Four Tet – There Is Love In You (2010)
Ein Kuddelmuddel aus akustischen und elektronischen Sounds. Post Electronica, oder so.

Bibio – Mind Bokeh (2012)
Simon & Garfunkel meet J Dilla. Folktronica.

Camera – Radiate! (2012)
Neo-Kraut von Berlins Straße.

Vermont (2014)
Charmante elektronische Miniaturen fast ohne beats. Meine Lieblingsplatte 2014 so far.

Im Elfmeterschießen ausgeschieden:

Shelly Manne – Vol. 1: The West Coast Sound (1955)
Sophisticated West Coast Jazz

Nico – Chelsea Girl (1967)
Hildegard Knef trifft Velvet Underground.

AC/DC – Highway to Hell (1979)
Gitarrenakkorde wie – äh … Stromstöße. Und Bon Scott war der charismatischste Lümmel des R’n’R. Ich musste ganz schön alt werden, um das schätzen zu lernen.

Blondie – Eat To The Beat (1979)
Meine erste Blondie-Platte vergesse ich nie.

John Zorn – The Big Gundown / John Zorn Plays the Music of Ennio Morricone (1985)
Ennio Morricone goes Lower East Side.

Radiohead – Kid A (2000)
Post Electronica Rock, oder so.

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“There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.”                                                                                                                                          (From the movie Sinners by Ryan Coogler)