Re: Die besten Blue Note Alben

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tejazz

Registriert seit: 25.08.2010

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Ich finde die Idee, die Musik generell LP-geordnet neu herauszugeben, schon nicht schlecht. Als Vinyl-Sammler ist das auch nicht ungewöhnlich, meine ich. Somit bleibt der Charakter einer gewissen künstlerischen Einheit namens LP (von damals) gewahrt, inklusive Covergestaltung. Aber da man nicht damit rechnen kann, daß die „Resttitel“ zeitlich einigermaßen zusammenhängend nachgereicht werden, habe ich mich mit der CD-Sortierung abgefunden, daß die outtakes jeglicher Art hinterdrein gesetzt werden. Wozu sollte ich sonst überhaupt CDs kaufen, wenn nicht für die Zusatztitel.
Ich fand die Möglichkeit der „Zweigleisigkeit“ bei Blue Note vor ca. 10 Jahren ganz nett, da konnte man die „normale“ CD-Ausgabe als Japan-CD (LPR) kaufen oder man griff im Laufe der Zeit zu den US-Ausgaben mit bonus-Titeln. Das empfand ich als faire Wahlmöglichkeit. Aber das war wohl eine Ausnahme.
Eine Verwurstung nach Lust und Laune ohne roten Faden finde ich insgesamt blöd. Ich kann mich dann eher damit abfinden, daß das CD-reissue chronologisch erfolgt, mit irgendwelchen eingefügten outtakes. Es ist eine neue Generation an Tonträgern für mich, da ist dann nicht nur eine neue Wertabschöpfung möglich, sondern auch die Chance auf eine neue Sortierung der Aufnahmen. Das sollte man dann, wenn man angefangen hat, allerdings auch beibehalten. In der Anfangszeit der CD war ja eine unorganisierte Herangehensweise durchaus verständlich, schnelles Geld lockt nun einmal. Aber wenn man über einen Backkatalog verfügt, kann man heute durchaus ein wenig Sorgfalt walten lassen.
Bei der Umstellung auf Vinyl gab es ja dann auch viele „Neuentdeckungen“. Da wurden Titel, die nicht vorher auf Schellack veröffentlicht wurden, erstmals auf LP oder EP gebracht. Oder, umgekehrt, weil sie nicht auf die LP paßten, weggelassen.

Ich habe durchaus Verständnis, wenn man eine Session komplett veröffentlicht und die „korrekte“ Reihenfolge nutzt. Nur, wenn es dann ausartet, ein paar Stücke zu oft eingespielt werden mußten, geht es mir auf den Geist. Da weiß ich dann wieder die klassische Auswahl, ob vom Musiker, Produzenten oder wem auch immer, zu schätzen. Zumal viele „bonus tracks“ nicht so viel hergeben, wie erhofft. Manches hätte gut im Archiv verbleiben dürfen. Aber wer zieht dann wieder die Linie (neben dem Buchhalter mit der Überlegung, mit der 20. Verwertung nochmal Geld zu verdienen)?
Ein gutes Beispiel dafür ist für mich Sonny Stitts ONLY THE BLUES (CD aus der Verve-Elite-Reihe). Schön, daß da drei echte unveröffentlichte Titel beigegeben wurden, und der Entstehungsprozeß von I KNOW THAT YOU KNOW ist, einmalig gesehen, auch interessant. Aber das nun auf fast allen CDs? Wer hört das dann noch? Selbst von meinem Idol Charlie Parker ist das auf Dauer kaum auszuhalten (Dial und Savoy sind ja gut erschlossen).

Letztendlich kann ich natürlich froh sein, daß (speziell bei Blue Note & Co.) japanische Enthusiasten und Michael Cuscuna sich gefunden haben, um die Archive von Blue Note usw. durchforsten zu lassen. Zumindest bei Leuten wie Tina Brooks. Das ist ja schon eine nahezu objektive Meinung.
Schon die früheren Veröffentlichungen (späte 70-er, meine ich) solcher Aufnahmen bei Blue Note Japan entsprechen dem „bonus track“-Charakter, nur daß sie auf extra-Platten daherkamen. Die Jazzgeschichte haben sie nicht verändert, sind waren eine mehr oder weniger willkommene Ergänzung. Die Menge an diesen Veröffentlichungen war übersichtlich (wenn man einen Überblick außerhalb Japans überhaupt hatte), die Preise waren relativ hoch, sodaß man meist mehr den Kauf überdenken mußte. Irgendwie für mich einfacher – Orgel-Schmitt mag ich nicht, kaufe ich auch nicht. Sonny Criss will ich haben – also wird das gekauft. Kaum Überschneidungen, klare Fronten.
Für mich bleibt die Entscheidung, auf die meisten dieser CDs zu verzichten. Nur bei auserwählten Favoriten gibt es die „aufgebesserte“ CD.

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