Re: Die besten Blue Note Alben

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nail75

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redbeansandricein Sachen Schuld an Bobby Hutcherson: das waren halt Free Jazzer – die hätten es schöner gefunden, wenn bei McLean – als nächster Schritt quasi – Cecil Taylor Klavier gespielt hätte, statt Larry Willis; die hätten es bevorzugt, wenn Hutcherson seine große Band der 70er Jahre nicht mit einem eteranen wie Harold Lad gegründet hätte, sondern mit Anthony Braxton… solche Gedanken… ob Hutcherson seinen historischen Auftrag eingelöst hat, nach 1969, schwer zu sagen.

Dieser Interpretation stimme ich vollkommen zu. Das ist eine extrem beschränkte Sichtweise, die den Free Jazz der 60er einseitig zum Ideal erklärt und alles andere lächerlich macht oder ignoriert. Selbstverständlich waren die 60er eine außergewöhnliche Dekade, die rasanten Wandel hervorgebracht hat, aber eine Gesellschaft kann solchen Wandel nicht dauernd durchleben, man denke an die Verwerfungen, die Radikalisierung und auch die gewalttätigen Konflikte, die diese Zeit geprägt haben. Neben allen großen künstlerischen, gesellschaftlichen und politischen Leistungen gibt es nämlich auch eine Kehrseite des Terrorismus und der Gewalt, die vollkommen in Vergessenheit zu geraten droht. Die Erinnerungsorte dieser Kehrseite sind wohlbekannt. Die RAF, die Roten Brigaden, der Parteitag der Demokraten in Chicago, die Ermordung von Kennedy (JFK und Robert), Martin Luther King, Malcom X, Vietnam, Altamont usw.

Und natürlich haben diese Veränderungen und diese Konflikte auch die Menschen geprägt, die nicht zufällig in dieser Zeit, die Experimente besonders weit getrieben haben. Das konnte aber natürlich nicht ewig so weitergehen. Musiker wie Hutcherson, McLean, Peacock, McCoy Tyner, Holland usw., waren keine Free Jazzer. Sie durchliefen eine Zeit, in der sie avantgardistische Musik machten, aber als die 60er (oder frühen 70er) vorbei waren, machten sie andere Musik, der man Unrecht tut, wenn man sie daran misst, was sie gemacht haben, als sie jung waren. Dieser Umstand ist diesen Leuten nur unheimlich schwer begreiflich zu machen, weil sie atemlos von einer Innovation zur nächsten hetzten und dabei nicht begriffen, dass sie sich nur noch im Kreis drehten, wie ein Hamster im seinem Laufrad. Diese Fundamentalisten der Avantgarde reden dann von Verrat und Ausverkauf und gefallen sich in ihrer eitlen Selbstgerechtigkeit. „Was ist daran innovativ?“ Nichts, ja und?

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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.