Re: Was ist Pop?

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amadeus

Registriert seit: 04.12.2003

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nail75Beides ist fraglos richtig. In Bezug auf den ersten Punkt wundert mich, woraus ursprünglich der Impuls erwuchs, zwischen kommerzieller und nicht-kommerzieller Popmusik (im weitesten Sinn) überhaupt zu trennen. Natürlich mögen anti-kapitalistische Denkweisen da eine wichtige Rolle gespielt haben, aber woraus erwuchs die Idee, es gäbe wertvolle, erfolgsabstinente und wertlose, rein kommerzielle Musik, obwohl in der Realität beide sich gut (oder weniger gut) verkauften. Rossi hat ja oben dazu einige Ansätze geliefert, aber die Frage, woher diese Idee stammt, ist noch offen. Seit wann musste Popmusik sich unkommerziell gebärden, um von gewissen Gruppen akzeptiert zu werden?

Ganz so krass habe ich die Trennung nicht erlebt. Es war ja nicht so, dass Rock Musiker nicht gut verdienen durften und es war auch nicht so, dass wir gedacht hätten, dass unsere „Helden“ die besseren Menschen wären, die ganz uneigennützig ihre Musik veröffentlichen. Im Gegenteil. Ich fand es gerecht, wenn sich Led Zeppelin oder CCR gut verkauften. Sogar ganz ohne Tralala, ohne Glanz und Gloria und ohne sonstigen Schnickschnack. Mit Anti-Kapitalismus hatte es also nichts zu tun, zumindest nicht bei mir. Rock Musik war cool, in, geil, super, um es mit dem heutigen Vokabular zu beschreiben.

Wieso war ich dennoch gegen alles was in meinen Augen (und in denen meiner Freunde) „kommerziell“ war? Bei der Rock Musik hatten wir das Gefühl der Freiheit, das Gefühl sich selbst ausgesucht zu haben, was man hört. Pop war hingegen einzig dazu da, verkauft zu werden. Es ging nicht um die Musik sondern darum, dass sich profitgeile Leute ausdenken, wie sie anderen Leuten möglichst viel Kohle abknöpfen können. Dazu musste man keine gute Musik machen, sondern möglichst schrill, bunt und laut daher kommen und mit primitiven Herz-Schmerz Texten den Hörern nach dem Mund singen. Pop war in meinen Augen unecht und künstlich. Das waren natürlich weitgehend Vorurteile. Wer Pop kaufte, der ist auf diese Masche reingefallen und wurde bedauert als jemand, der „nicht durchblickte“ als ein „Ahnungsloser“, der nach der Pfeife anderer Leute tanzt. Die Ablehnung kann man an dieser Stelle durchaus antikapitalistisch bewerten, ganz im Widerspruch zu unserer Zustimmung bei Rock. Dies würde aber doch zu weit greifen, da ich auf keinem Fall einen Systemwechsel in Richtung Kommunismus wollte. Die DDR schreckte viel zu sehr ab. In der BRD hatte man wenigstens die Wahl und Freiheit, zu hören was man hören wollte. „Drüben“ wurde ja alles zensiert.

Wann hat man Popmusik toleriert? Wohl dann, wenn man erwachsen genug war um zu erkennen, dass es um die Musik geht und nicht um äußere Begleitumstände. Das ist Level 1. Level 2 beginnt, wenn man sie auch mal anhört. Ein viel zu langer Weg für Manche, die in Level 1 verharren. Level 3 ist dann erreicht, wenn man Popmusik sogar gerne hört und sie schätzt. Ich selbst bin nur ausnahmsweise da angekommen. Shame on me!

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