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Rob FlemingIch kann deine letzte Frage nur für mich beantworten und da lautet die Antwort schlicht JA.
Aus heutiger Sicht ist das natürlich Quatsch aber damals war das (für mich) so. Meine musikalische Sozialisation fand in den späten 70ern und frühen 80ern statt und ging eng mit meiner politischen einher. In meiner kleinen Welt gab in diesem Zeitraum nur gut und böse. Die Guten ließen sich mit mir in Brokdorf von den Wasserwerfern wegspritzen, waren mit mir Teil von diversen Menschenketten, lehnten Kommerz grundsätzlich ab (die Hose musste geflickt sein, das Shirt vom Flohmarkt) und hörten eben Rockmusik. Für unser Feindbild, die Popper, hatten wir bestenfalls Verachtung über. Popper definierten sich über Kaschmirpullover von Lacoste oder Aigner, trugen ihr Haar gescheitelt (und sogar gewaschen) und gaben sich bewusst konformistisch und unpolitisch. Ästhetische Fragen traten bei ihnen an die Stelle ethischer und gesellschaftlicher Fragen. Und weil wir diese Typen einfach ätzend fanden, mussten wir doch zwangsläufig auch ihre Musik ätzend finden. (Roxy Music, Spandau Ballet usw.).
Differenziertes Denken gehörte damals irgendwie nicht zu meinen / unseren Stärken.
Himmel, wenn ich mich daran erinnere empfinde ich auf einmal das Älterwerden als richtige Gnade.
Kann ich gut nachvollziehen. Wenn ich an meine Zeit Anfang/Mitte 70iger zurückdenke: lange Haare, politisch bei amnesty international aktiv, bevorzugte Musik: Pink Floyd, Led Zeppelin, CCR, Jethro Tull, Rory Gallagher, etc. Mein heimliches Idol: John Lennon, nicht nur wegen seiner Musik, sondern wegen seinem Auftreten. Alles was ich mit Kommerz verknüpfte, lehnte ich ebenso ab wie du. Modekleider waren total out und bei der Musik wurde einfach in gut und schlecht eingeteilt, ohne dass ich mich intensiv damit beschäftigt hätte. „Das ist kommerziell“ genügte als Begründung, um etwas anzulehnen.
Hätten mich pinch oder bender damals befragt, ich hätte kaum eine sinnvolle Erklärung dazu abgeben können. Differenziertes Denken war bei mir auch nicht besonders stark ausgeprägt. Aber bei zu welcher Zeit war das anders? Junge Menschen brauchen und suchen Orientierung, lassen sich leichter beeinflussen und neigen zu Übertreibungen. Legt sich alles irgendwann und man schlüpft selbst in Rollen, die mehr Verantwortung bedingen.
Um zum Thema „Pop“ zurückzukommen: meine damals sehr negative Haltung hat sich nie vollständig gelegt. Heute sehe ich das zwar viel milder und bemühe mich um Objektivität, wohl wissend, dass die Zweifel bestehen bleiben. Als Mensch kann ich mich nicht ganz davon lösen und bin mir dieser Limitierung bewusst.
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