Re: Was ist Pop?

#2230723  | PERMALINK

rob-fleming

Registriert seit: 08.12.2008

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nail75Ja, alles richtig. Mir geht es aber weniger um Amadeus, der natürlich diese Ideen heute teilweise immer noch in sich trägt, teilweise aber auch nicht mehr, sondern um die Frage, woher sie kamen. Sicherlich hängt die Ablehnung von „Kommerz“ auch stark mit den politischen Gegenbenheiten der Epoche zusammen, die 1970er waren ja die Hochzeit der linken Utopien. Aber die Frage bleibt, wieso wurde Pop zum Unwort? Bedeutete Pop damals automatisch Kommerz und damit musikalische Minderwertigkeit?

Ich kann deine letzte Frage nur für mich beantworten und da lautet die Antwort schlicht JA.
Aus heutiger Sicht ist das natürlich Quatsch aber damals war das (für mich) so. Meine musikalische Sozialisation fand in den späten 70ern und frühen 80ern statt und ging eng mit meiner politischen einher. In meiner kleinen Welt gab in diesem Zeitraum nur gut und böse. Die Guten ließen sich mit mir in Brokdorf von den Wasserwerfern wegspritzen, waren mit mir Teil von diversen Menschenketten, lehnten Kommerz grundsätzlich ab (die Hose musste geflickt sein, das Shirt vom Flohmarkt) und hörten eben Rockmusik. Für unser Feindbild, die Popper, hatten wir bestenfalls Verachtung über. Popper definierten sich über Kaschmirpullover von Lacoste oder Aigner, trugen ihr Haar gescheitelt (und sogar gewaschen) und gaben sich bewusst konformistisch und unpolitisch. Ästhetische Fragen traten bei ihnen an die Stelle ethischer und gesellschaftlicher Fragen. Und weil wir diese Typen einfach ätzend fanden, mussten wir doch zwangsläufig auch ihre Musik ätzend finden. (Roxy Music, Spandau Ballet usw.).
Differenziertes Denken gehörte damals irgendwie nicht zu meinen / unseren Stärken.
Himmel, wenn ich mich daran erinnere empfinde ich auf einmal das Älterwerden als richtige Gnade.

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Living Well Is The Best Revenge.