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Originally posted by tops@23 Jul 2004, 15:32
Nur soviel: Verklärung und Wissen gehen nicht zusammen. Man verklärt nur, was man nicht kennt.Und um die Zeitlosigkeit eines Songs richtig schätzen zu können, muß man über die Zeitgebundenheit anderer Bescheid wissen, mithin auch immer die Zeit mitdenken, in der beide entstanden.
Das Wissen, der von dir oben genannten Dinge, kann aber in dem Sinne, wie ich es oben beschrieben habe, Deine „objektive“ Wahrnehmung von Musik verklären.
Darin liegt ja gerade die Überhöhung: man interpretiert etwas hinein, was u.U. nicht da ist. Auch da gilt: je mehr man über einen Song und seine Hintergründe weiß, desto besser/intensiver fühlt und versteht man ihn.
„Verstehen“: ja, das kann sein.
„Fühlen“? Auf einer gewissen Ebene ist das sicher so. Nur kommt es mir so vor, als ob das für Dich auch gleichbedeutend damit ist, dass man den Song mehr zu schätzen weiß. Und das halte ich nicht für richtig. Denn ein Song wird ja nicht automatisch „schlechter“, oder „wertloser“ wenn man z.B. nicht weiß, ob der Inhalt fiktiv oder wahr ist. Und damit meine ich nicht das Unwissen aufgrund mangelnden Interesses sondern dass es unbeweisbar ist.
Wenn ich Dich also richtig verstehe, wäre das Schätzen anonymer Kunst demnach nicht ernst zu nehmen. Ein anonymes Werk könnte also für niemanden ideellen Wert haben, weil es ja nur aus sich selbst herraus zu deuten ist. Aber das wäre ignorant.
Und um die Zeitlosigkeit eines Songs richtig schätzen zu können, muß man über die Zeitgebundenheit anderer Bescheid wissen, mithin auch immer die Zeit mitdenken, in der beide entstanden.
Und ich glaube eben nicht, dass man das muss.
Es ist sicher hilfreich, kein Zweifel.
Aber um es mal sehr theoretisch zu machen:
Es gibt doch genügend Musik, die, wüssten wir nichts über deren Entstehung, zeitlich nur sehr ungenau einzuordnen ist. („Das klingt, wie aus der Zeit gefallen“ sagt man doch dann so schön. Und gerade heutzutage gibt es doch immer mehr Bands, die haargenau so klingen, als hätte es sie schon in den 60s gegeben)
Du bekommst also morgen eine 7″ ohne jegliche Informationen (um das Beispiel der Anonymität weiter zu führen), hörst sie, bist von dem Song begeistert aber kannst beim besten Willen nicht erhören in welcher Zeit der Song entstanden ist. Klar, jetzt setzt Du den Song in Verbindung mit anderen. Trotzdem fehlen Dir sämtliche zeitliche Informationen zu eben diesem Lied.
Warum soll man die Zeitlosigkeit dieses Songs jetzt nicht richtig schätzen können?
Und wenn man den Begriff der Zeitlosigkeit richtig auslegt, bezeichnet er etwas, dass auch unabhängig von seiner Entstehungszeit Sinn macht beziehungsweise zu verstehen ist.
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Flow like a harpoon daily and nightly