Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Blue Note – das Jazzforum › Jazzbücher › Re: Jazzbücher
nail75Ich denke ein interessanter Aspekt ist die Tatsache, dass die Baroness eigentlich alleine war. Sie war eine Kuriosität, eine Unmöglichkeit, eine weiße Frau, die mit lauter Schwarzen verkehrte und dann auch noch schwarzen Musikern, in einem Milieu voller Drogen, zwielichtiger Gestalten und sozialer Probleme. Das war für eine Frau von Stand derart inakzeptabel, dass es auf keinerlei Verständnis stieß.
Anders gesagt: Es hat den schwarzen Jazzern sicher Respekt abgenötigt, dass sich eine reiche, weiße Frau mit ihnen überhaupt abgab (die meisten hätten wohl mit ihnen keinen Wort gewechselt) und zwar aus echtem Interesse und nicht, um sie ihren reichen Freunden „vorzuführen“. Die haben sicher genauestens verstanden, was es bedeutet, ausgegrenzt und diskriminiert zu sein. Das hat sicher eine Art von Verbundenheit geschaffen – ganz jenseits finanzieller Zuwendungen.
Hannah R. spekuliert auch über eine Art von tiefer innerer Verbundenheit zwischen der Jüdin Nica und den afro-amerikanischen Musikern. Beide waren in ihrer Art Paria. vorgarten erwähnte, dass ein Teil von Nicas Familie Opfer des Holocausts wurde, ich glaube auch ihre Schwiegermutter. Nica hat den Krieg überlebt, den Holocaust, hat erleben müssen, wie viele Menschen starben, ihr Vater litt unter Depressionen und verübte Suizid, sie hat als Jüdin – reich oder nicht – Ausgrenzung und Stigmatisierung erlebt, was das im Extremfall zur Folge haben kann und dass der Name Rothschild und das Bankkonto dann auch nicht mehr helfen. Das prägt. Ihre Ehe und das Leben als Rothschild muss ihr irgendwann als Sackgasse erschienen sein und auch als nichts, was am Ende für Sicherheit oder gar Glück bürgt.
Wie handelt man mit diesem Hintergrund? Weiter wie bisher? Nica hat einen radikalen Schnitt gemacht. Und vielleicht hat sie mit ihren neuen Freunden in NYC tatsächlich eine neue Familie und eine neue Identität gefunden. Und für Momente Glück erlebt.
Alles Spekulationen, ich weiß …
Übrigens, auch ich will das mal loswerden: Vielen Dank an alle für die sehr geistreiche und angeregte Diskussion. Das bereitet Freude!
--
„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)