Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Blue Note – das Jazzforum › Jazzbücher › Re: Jazzbücher
gypsy tail windDanke für Deinen Bericht erstmal! Muss ich später mal komplett lesen, habe die Posts gerade erst überflogen.
Wie seriös ist das Buch insgesamt? Die Geschichte von Monk und Nellie habe ich etwas anders gehört (…)
Es ist inzwischen schon einige Tage her, dass ich das Buch gelesen habe. Die Erinnerung ist nicht mehr ganz frisch und deswegen mag mein Bericht in Teilen ungenau oder unvollständig sein. Ist vielleicht auch etwas viel Text, aber das kürzen würde noch mal mehr Zeit erfordern.
Ich denke, das Buch ist schon seriös. Hannah Rothschild hat als Spross der Familie Rothschild Zugang zu Menschen und Informationen, die anderen kaum zugänglich sind. Gleichzeitig hat sie auch ein ausreichend distanziertes und ambivalentes Verhältnis zu ihrer Familie. Die für mich anfangs irritierende Schilderung der ganzen Familiengeschichte bis zu den Ursprüngen, der daraus resultierenden eigenartigen gesellschaftlichen Stellung der Rothschilds, die – je nach Perspektive – damit verbundenen Freiheiten und Zwänge, der Anerkennung und der Stigmatisierung, den Vor- und Nachteilen – das ist am Ende für das Verständnis der Person Pannonica schon wesentlich.
Ich kenne eine ältere (veraltete) Biografie von Monk (von Thomas Fitterling, 1987) und auch das du-Heft. Mir fällt dabei auf, dass sich das Bild von Monk in der Literatur seit seinem Tod mehr und mehr gewandelt hat. Anfangs galt er wohl als sowas wie ein etwas sonderbares Genie, ein sympathischer Kauz halt, später konnte man schon mal lesen, dass diese Kauzigkeit eher so etwas wie eine psychische Störung war, wegen der er von seiner Familie auch mehrmals ins Krankenhaus eingeliefert wurde. In der Doku Straight, No Chaser gibt es Szenen, in denen Monk völlig weggetreten durchs Bild wankt, während die Menschen in seiner Umgebung versuchen, seinen Alltag zu managen. Er selbst konnte das nicht.
Auf das Verhältniss zwischen Monk – Nellie – Pannonica bin ich ja nur kurz und unvollständig eingegangen. Nellies Rolle war sicher bedeutender, als ich das beschrieben habe. Sie war für ihn ja Ehefrau, Krankenschwester und Teilzeit-Managerin in einem, bemutterte ihn eigentlich. Da sie selbst auch gesundheitliche Problem hatte, auch noch ihre Kinder zu versorgen und Geld verdienen musste, ist sie damit wohl irgendwann an ihre Grenzen gestoßen. Lange Zeit war das Dreiecksverhältnis Monk – Nellie – Pannonica wohl eine Art Symbiose, vielleicht auch eine gegenseitige Abhängigkeit, mit der alle drei gut zurecht kamen. Je schlechter und schwieriger die Verfassung von Monk mit zunehmenden Alter wurde, desto schwieriger wurde es auch für Nellie. Hannah Rothschild beschreibt, das Nellie versuchte, Monk von seinen Krankheiten mit einer Art Saftkur zu heilen. Unablässig lief der Obst- und Gemüseentsafter und trieb Monk nur noch mehr in den Wahnsinn. Am Ende flüchtete er zu Nica nach New Jersey, vielleicht schickte ihn Nellie auch dahin. Vielleicht war es für Nica in ihrem Haus vor den Toren New Yorks mit ein paar Bediensteten auch einfacher mit dem Pflegefall Monk klarzukommen, der nur noch rumsaß- oder lag und nicht mehr sprach.
Noch eine Interpretation meinerseits: Nellie war ja eigentlich nur für Monk da. Auch ein Teil der erschreckenden Seite der Geschichte.
--
„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)