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Teil 3:
Hannah Rothschild hat für ihr Buch zahlreiche Familienmitglieder interviewt – wobei sie zu erkennen gibt, wie schlecht einige davon auf Pannonica zu sprechen sind – mit Musikern wie Sonny Rollins, Roy Haynes und Ben Riley, Orrin Keepnews, mit Nat Henthoff, Amiri Baraka und Thelonious Sohn Toots und vielen anderen gesprochen, vielen Menschen also, die Pannonica und/oder Thelonious persönlich kannten.
Am Ende bleibt für mich ein ebenso faszinierendes wie manchmal aber auch erschreckendes Bild von zwei Menschen, die einerseits kompromisslos ihren eigenen Weg gegangen sind, dafür aber auch den Preis von Stigmatisierung, Isolation und Einsamkeit zahlen mussten – und mindestens im Fall von Monk umgekehrt auch Menschen ihrer Umgebung in die Rolle von Helfern drängten, aus der sie sich nicht befreien konnten. Thelonious konnte aufgrund seiner psychischen Präposition wohl gar nicht anders, Pannonica wollte es irgendwann nicht mehr anders. Hätten sie sich nicht getroffen, hätte Thelonious möglicherweise als drogenabhängiger und kranker Sozialfall geendet, dessen wenige erhaltenen Aufnahmen bis etwa 1952 heute noch kultischer verehrt werden würden, als sie es schon werden. Oder wäre wie Charlie Parker früh verstorben. Pannonica befreit sich selbst aus der erstickenden Umklammerung ihrer Familie – paradoxerweise ermöglicht gerade durch den Reichtum dieser Familie. Zusammen bilden sie eine Beziehung, die es beiden ermöglicht ein als sinnvoll empfundenes Leben jenseits gesellschaftlicher Konventionen zu führen. Gleichzeitig führt das aber auch zu einer gegenseitigen, fast existentiellen Abhängigkeit dieser völlig unterschiedlichen Menschen. Das Bild von Pannonica und Monk, die am Ende zusammen mir hunderten von Katzen in einem Haus in New Jersey leben, hat für mich etwas wie ein Szenario für einen Horrorfilm. Aber das ist meine eigene Phantasie.
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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)