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Ein bisschen viel Text. Daher in 3 Teilen.
Teil 1:
Hannah Rothschild – Die Jazz Baroness / Das Leben der Nica Rothschild (2012)
(Originaltitel: The Baroness: The Search For Nica, The Rebellious Rothschild)
Nicht im engeren Sinne ein Jazzbuch. Da aber die Biografie von Pannonica de Koenigswarter, née Kathleen Annie Pannonica Rothschild, (* 10. Dezember 1913 in London; † 30. November 1988 in New York) eng mit der Biografie von Thelonious Monk verknüpft ist, gehört das Buch hierher.
Die Autorin (* 1962) stammt selbst aus dem Hause Rothschild, der jüdischen Finanzdynastie. Pannonica ist – wenn ich das jetzt richtig erinnere – ihre Großtante. Es irritiert zunächst, dass Hannah Rothschild viel Raum dafür verwendet, die Geschichte und die Verwandtschaftsverhältnisse der Rothschilds zu schildern – für das Verständnis der Persönlichkeit Pannonicas ist das aber wohl unterlässlich. Die Rothschilds sind eine aus einfachsten Verhältnissen stammende jüdische Familie aus Frankfurt, die über Generationen zu einer einflussreichen europäischen Bankendynastie aufsteigt, zu Finanziers von sogar Kriegen und Nationen wird, da sie jüdisch ist, aber niemals voll gesellschaftlich anerkannt wird. Durch die Verfügung des Gründervaters, dass die Geschäfte immer durch männliche Familienmitglieder geführt werden müssen, schottet sich die Familie nach außen ab (und gibt gewissen Kreisen Anlass zu antisemitischen Verschwörungstheorien) und bietet den Männern der Familie gleichzeitig kaum berufliche Alternativen. Den Namen Rothschild kann man nicht ablegen, in einem anderen Beruf als Bankier wird man kaum ernst genommen, zumal klar ist, dass man als Mitglied einer millionenschweren Familie, Arbeit nicht um des Broterwerbs Willen nötig hat. Frauen sind da sowieso nur Beiwerk, das für Nachwuchs zu sorgen und gesellschaftliche Pflichten zu erfüllen hat. Klischeehaft: Ein goldener Käfig, in dem manche Familienmitglieder eigenartige Exzentrizitäten entwickeln oder Karrieren in akademischen Orchideenfächern einschlagen, wie Pannonicas Onkel Walter Rothschild, der Zebras vor seine Kutsche spannt oder ihr Vater Charles und ihre Schwester Miriam, die u.a. wissenschaftliche Experten für Schmetterlinge und Flöhe waren.
Pannonica verheiratet sich standesgemäß mit dem französischen, ebenfalls jüdischen Diplomaten und Baron Jules de Koenigswarter, eine Ehe, aus der fünf Kinder hervorgehen, die aber auch von der Kontrollsucht des Ehemanns geprägt ist. Im 2. Weltkrieg tritt sie mit ihrem Mann de Gaulles Freier Französischen Armee bei und arbeitet in verschiedenen afrikanischen Ländern als Chiffriererin und Fahrerin. Über ihren Klavier spielenden Bruder Victor lernt sie Jazz kennen und lieben.
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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)