Re: Jazzbücher

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clau
Coffee Bar Cat

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nail75Tja, geht so. Ich finde das Buch sehr unanschaulich, überraschend leblos und einem sehr einseitigen Gesellschaftsbild verpflichtet, in dem die Rollen von Ausbeuter und Ausgebeuteten klar verteilt sind. Aber anstatt die Machtverteilung zwischen Schwarzen und Weißen, Möglichkeiten und Grenzen schwarzer Autonomie, den Zusammenhang von Austausch und Abgrenzung, Selbst- und Fremdbilder nicht nur zu thematisieren, sondern auch zu problematisieren sind bei Jost die Afro-Amerikaner die selbstlosen Opfer, die von geld- und machtgierigen (weißen) Unterdrückern ausgebeutet werden. Hier treffen quasi monolithische Gruppen aufeinander, die keine innere Differenzierung aufweisen.

Was über die bedeutenden Plattenfirmen des Jazz in diesem Buch steht, ist entweder ein Witz oder eine Unverschämtheit (Prestige hat zwei Einträge, Blue Note acht und nirgendwo steht etwas erhellendes!). Jazz besteht nicht nur aus Musikern, sondern auch aus Besitzern von Plattenfirmen, Clubbesitzer, Produzenten, Promoter, Booking-Agents – wo kommen die in diesem Buch vor? Was für Leute waren das? Welchen sozialen Milieus entstammten sie? Eine Sozialgeschichte ist das nicht, eher eine Kapitalismuskritik des Jazz.

Mag sein, dass Du damit Recht hast, nail. Ich habe erst knapp sechzig Seiten durch, bin gerade in Chicago. Für mich ist es bis hierher überaus interessant, weil Ursprünge des Jazz nachgezeichnet werden und Zusammenhänge erklärt werden, die ich bisher nicht wusste (das mag auch an meiner mangelnden Kenntnis der US-amerikanischen Geschichte im Allgemeinen liegen). Aber die Anfänge des Jazz in New Orleans sowie die Darstellung der Wandlung von semiprofessionellen zu professionellen Musikern, die Verquickung unterschiedlicher Stile innerhalb der farbigen Bands und Orchester sind wohl auch nicht das Ziel Deiner Kritik. Mal sehen, wie es weitergeht. Ich melde mich nochmal, wenn ich es durch habe.

Hast Du eventuell eine Buchempfehlung zum Thema?

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