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Nach dem Ok von Bernie Gockel seine Antwort auf meinen Brief:
Hallo Herr Herrmann,
dann wollen wir mal in den Clinch gehen.
Zunächst einmal muss ich einräumen, dass ich beim Schreiben des Artikels einen geradezu diabolischen Spaß hatte, weil ich ständig an unseren hauseigenen Meinungsdiktator, Osama bin Doebeling, denken musste. Ich bin mir absolut sicher, dass er mich nach der Lektüre des Artikels am liebsten erwürgt hätte – was mich nur nur noch mehr dazu animierte, den Sachverhalt etwas krasser darzustellen, als es der Sache vielleicht dienlich war. Ich kann mich noch erinnern, dass mir – als ich den Satz schrieb: „Der Countryblues war vor allem eine Erfindung weißer Musikkritiker in den 60er Jahren“ – durch den Kopf ging, dass das schon arg überspitzt war. Also, um Sie zu beruhigen: Ich leugne natürlich nicht die EXISTENZ des Delta-Blues (wäre ja auch meschugge), es ging mir ausschließlich um die spätere REZEPTION und Umdeutung.
Andererseits habe ich aber auch den Eindruck, dass Sie sich absichtlich dumm stellen, wenn Sie mir gewisse Sachen unterschieben wollen. Wenn ich von dem „Idyll“ rede, meine ich natürlich nicht die reale Situation der Betroffenen, sondern die verklärte weiße Geschichtsklitterung, die die wirklich populären schwarzen Musiker und Spielarten als oberflächlich und unwichtig abtat, um umso mehr ihre eigene „Blut, Schweiß & Tränen“-Mentalität auf den Deltablues zu projizieren.
Und:“Muss die Geschichte des Blues neu geschrieben werden?“Meinen Sie nicht, dass da ein Augenzwinkern zwischen den Zeilen erkennbar ist?
Ihrer Verteidigung von Clapton („it ain't necessarily so“) kann ich mich leider nicht anschließen. Darf ich mal aus der Abschrift des Radio-Interviews zitieren, das Clapton zu seinem Johnson-Album gab? „I think that, you know, I, I was, I was so happy, really just to identify with the legend, you know, and the, and the whole notion of the, of the, you know, the black hearts and, and, you know, and selling his soul and becoming a genius over night. All of that was really attractive to me as a kid.“Ich bin selbst in den 60ern groß geworden und kann mich noch gut erinnern, wie dieser faustische Humbug völlig unkritisch kolportiert wurde. Von Weißen, natürlich. Son House hatte in dem besagten Interview 1966 nur gesagt, dass Robert Johnson zwar ein hervorragender Mundharmonikaspieler, aber ein lausiger Gitarrist gewesen sei – und dass sich das 6 Monate später (es waren in Wirklichkeit wohl zwei bis drei Jahre) so extrem geändert habe, dass das nur mit dem Teufel habe zugehen können.
Statt nun nochmal die Thesen von E. Wald zu paraphrasieren, habe ich Ihnen einmal einige Pressestimmen angehängt, die sich mit meiner Einschätzung decken. Zunächst einmal ein kurzer Ausschnitt aus der NY Times vom 28.2., dann ein längerer Review aus der „Washington Post“, zum Schluss eine Besprechung von „Robert Johnson – Lost and Found“, das bereits vor gut einem Jahr erschien. (Und ja, es gibt noch mehr Bücher, die sich mit ähnlichem Tenor mit diesem Phänomen beschäftigen.)
Viel Spaß bei der Lektüre
wünscht,
BG
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