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otisKann Belsazar bzgl. Pepper nicht zustimmen. Was heißt hier „reiner Pop“? War es nicht. Es war und sollte sein: Avantgarde im Pop-Bereich.
Auch Avantgarde-Pop, was immer das sein mag, kann ja reiner Pop sein, ja, ist es, je nach Verständnis, sogar geradezu zwangsläufig. Sgt. Pepper war sicher Avantgarde als Maßstab der produktionstechnischen Möglichkeiten (und damit poptechnisch durchaus führend), im emphatischen künstlerischen Sinne wohl eher nicht. (Vergleichbare Alben wären bspw. Dark Side of the Moon oder Thriller. Je nach individueller Rezeption schrecklich bis grauenhaft, aber trotzdem musiktechnisch maßstäblich.)
Doch was es sein sollte, ist für das, was es ist, ohnehin eher eine Randnotiz. Ich spare mir Erläuterungen hinsichtlich Motivation und Selbsteinschätzung von Künstlern und Beurteilung von Kunststwerken, da ich bei dir und zumindest den meisten anderen von einer grundlegenden Kenntnis solcher Diskussionen ausgehe. Andernfalls frag‘ noch mal nach.
Was Pepper nach wie vor auf jeden Fall war und ist: Perfekter Pop auf der Höhe der damaligen Studio- und Produktionstechnik. Wenn ich zurückblicke, war für mich die Perfektion der Arrangements, der Übergang der Lieder ineinander etc., ausschlaggebend, es öfter zu hören (im Alter von etwa zwischen 10 und 15 Jahren) – natürlich ohne dass es ich es damals hätte formulieren können. Da hat’s einfach Spaß gemacht. Ich kann insofern verstehen, wenn das anderen zu anderen Zeiten auch so geht.
otis Man bedenke, die Fab waren eine Art Boygroup gewesen mit ungeheurer Breitenwirkung. Die erste ihrer Art, die erfolgreichste und beste.
Sie waren es mit Sgt. Pepper erst recht. Die Platte erreichte noch am Veröffentlichungstag Goldstatus und steht bis heute laut dem deutschen Wiki-Artikel u.a. an zweiter Stelle der meistverkauften Alben im UK. Misserfolg sieht anders aus, auch wenn …
otis… die Älteren den Beatles nichts mehr zutrauten ….
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Irgendwer hat es dann schließlich doch gekauft. Nach Zahlen gesehen, sogar ziemlich viele. Da waren bestimmt auch ein paar Ältere dabei. Zutrauen ist offensichtlich kein kaufentscheidendes Kriterium.
Aber Spaß beiseite: Die Zeitzeugenschaft kann immer interessante Fußnoten zu Themen bieten, ist aber sicher kein ausreichender Gradmesser zur Beurteilung eines Kunstwerkes und seiner Wirkung.
Noch eine grundsätzliche Bemerkung zur Wirkungsgeschichte. Sgt. Pepper für Prog-Rock verantwortlich zu machen, ist ziemlicher Nonsense. Ironischerweise macht es das Album sogar größer, als es wirklich ist, weil es ihm eine unangemessene musikalische Bedeutung zuschreibt und damit einem Mythos Vorschub leistet. Selbst als Vorläufer ist es aufgrund der kindlichen Popstimmung nur sehr vermittelt und mit Verbiegungsanstrengungen zu sehen. Konzeptalben, zusammenhängende Werke lagen zu der Zeit einfach in der Luft (siehe u.a. Pet Sounds, S.F. Sorrow, Odgens). Da war es nur eine Frage der Zeit, bis Musiker auf die Idee von Symphonien und Opern etc. im Rock/Pop-Idiom kamen. Das wäre auch ohne Sgt. Pepper gekommen, und zwar ohne jede Abstriche.
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