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Originally posted by Skraggy+20 Apr 2004, 19:42–>
QUOTE (Skraggy @ 20 Apr 2004, 19:42) Ich stimme dir im Großen und Ganzen zu. Leider muss ich jedoch anmerken, dass die von dir angeführte Argumentation bei eben den von dir angesprochenen Personen auf taube Ohren stößt. Diesen Leuten kannst Du nicht vermitteln, dass man subjektiv als schlecht wahrgenommener Musik auf objektiver Ebene durchaus bestimmte Qualitäten zusprechen kann. Das würde voraussetzen, dass ein gewisses Verständnis von Komponieren, instrumentalem Können, Klang etc. vorhanden ist. Aber woher soll dieses Verständnis kommen, wenn nicht über ein ernsthaftes Befassen mit all dem, was zu Musik gehört?
Daß man sich mit dem Insistieren auf bereits ein Kleinwenig an Sachlichkeit und Ahnung von einer Materie heute selbst im Freundeskreis ganz schnell keine Freude macht, ist mir bewusst, und war bei mir rückblickend auch noch nie anders. Ist zwar traurig, ich kann aber Unsinn dem Small Talk zuliebe trotzdem nicht unwidersprochen im Raum stehen lassen. Ich weiß schon, warum niemand, der mich kennt, in meiner Gegenwart freiwllig auf das Thema Film zu sprechen kommt, wie es bei anderen bestimmten Cineasten hier im Forum steht, will ich erst gar nicht wissen, ist sicherlich noch schlimmer.
Oder wie heute: Ich frage einen Freund, weshalb der Gitarrist seiner Band aufgrund einer sich sehr schnell verstimmenden E-Gitarre im Zusammenhang mit anzunehmend leidlich musikalischem Gehör nicht einfach ein digitales, gerade erst preireduziertes Modell wie z.B. die Variax holt, dann hätte sich dieses Stimmproblem erledigt. Sobald dieser Freund nun das Wort 'digital' gehört hat, brennen im beinahe reflexartig die Sicherungen durch, da so etwas ja nie wie eine echte E-Gitarre klingen kann. Ich entgegne nur, daß er erstens diese elektronische Gitarre noch nie gehört hat, und ich zweitens bei ausreichend vorhandenen Finanzen selbstverständlich nach wie vor einer die Stimmung über mehr als zwei Stücke behaltenden „ordentlichen“, analogen E-Gitarre den Vorzug geben würde.
Den Reflex, digital=scheiße kann ich jedenfalls nicht mehr hören; er kommt aber komischerweise immer wieder von genau den Zeitgenossen, die zuhause wenn überhaupt eine popellige Komplettanlage aus'm Saturn für 500 Euro rumstehen haben, oder schlimmstenfalls ihre CDs über einen mittelprächigen Consumer-Kopfhörer anhören, der mit einem Discman verbunden ist. (Ich sehe gerade, daß das auch eine Begründung für den Reflex sein könnte, wenngleich ich unter 'digital' nicht gleich low budget verstehe und dafür auch keine Notwendigkeit sehe…)
Ich musste mir schon häufig Klugscheißerei, elitäres Gehabe u. ä. unterstellen lassen, nur weil ich ein lässig in den Raum geworfenes „dat is' Scheiße“ nicht ohne weiteres stehen lassen kann und will.
In der Nähe meiner Uni hat neuerdings die ansässige Kamps-Filiale Konkurrenz durch zwei Selbstbedienungsbäckereien bekommen. Auf meine Äußerung zu einem Kommilitonen, ich würde auch weiterhin Kamps-Kunde bleiben, weil ich meine Brötchen nicht aus Behältern ziehen wollte, in die am selben Morgen schon zig andere ihre Griffel hineingesteckt hätten, und ich ferner gerne weiterhin bedient würde, musste ich mir auch anhöhen, ich sei elitär drauf.
Aber auch wenn ich deinen Gedankengang, dass die entsprechenden Personen aufgrund ihrer Unkenntniss besser mal die Klappe halten sollten, durchaus nachvollziehen kann und ihn sogar teile, halte ich ihn für problematisch. Da diesen Leuten ja die tieferen Kenntnisse fehlen, können sie für eine Beurteilung von Musik nur noch auf ihren Geschmack zurückgreifen.
Könne sie ja machen. Nur müssen sie sich dann auch anhören, daß sie u.U. einen hundsmiserablen Geschmack haben, und sich den Auspruch „Über Geschmack lässt sich …“ sonstwohin sticken sollen, aber unter keinsten Umständen mir gegenüber irgendwann ein weiteres Mal äußern.
Das schlimmste ist doch aber, daß schlichtweg negiert wird, persönlicher Geschmack (nicht nur) in künstlerischen Dingen hätte etwas mit Bildung zu tun. Sondern: Geschmack habe man einfach, oder eben nicht.
Interessant auch hier die derzeitige Mini-Diskussion über das Verständnis und daraus zu ziehende Goutieren-Können von Filmen in Eberts Movie-Answer-Man Kolumne, wo es mal wieder um das Verhältnis zwischen Kritiker und Publikum geht. Hierzu schreibt eine Leser(in?):
Originally posted by Movie Answer Man@
And J.C. Inglis of Toronto writes: „Why did you give in to the clods who disagreed with your statements on 'Lost in Translation'? At the end of your reply you wrote, 'You're not wrong just because you disagree with me.' Yes, they ARE wrong. Watching, enjoying and understanding movies is a skill and can be done poorly and wrongly. 'Getting' a movie is not the same as having an emotional response.„One can still 'get' a movie even if one doesn't like it. Saying one doesn't 'get' a movie is like saying one doesn't 'get' a symphony. It proves that one has a stunted or undeveloped faculty of appreciation, or possibly that one is an idiot.“
Quelle: http://www.suntimes.com/output/answ-man/sh…ay-ebert18.html