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KrautathausEin Freund von mir hat seit ein paar Monaten einen Schichtjob und beklagt seitdem, daß er am Abend ziemlich platt ist, und kaum noch Muße hat, mal neue Filme (Kino) oder Musik (Live oder Tonträger) zu entdecken.
Danke. So war’s gemeint. Solche Jobs gibt’s nun mal, und wer darauf angewiesen ist, sich so seine Brötchen zu verdienen, dem rauben sie die Energie und den Nerv, sich noch mit den bedeutenden Kulturleistungen der Menschheitsgeschichte auseinanderzusetzen und sich selbständig weiterzubilden. Dann fehlt einem was. Man hat nur eingeschränkte Möglichkeiten (an frei verfügbarer Zeit, an Lebenskraft, an Geld) und nicht mehr besonders viel Raum für Bildung und Selbstverwirklichung – also schlechtere Chancen als andere, die in einer besseren Lage sind. Und das soll sich nicht auf den Zugang zur Kunst auswirken?
Es ist doch so: Nur wenn man der Meinung ist, dass alle dieselben Möglichkeiten haben für Bildung und Selbstverwirklichung und Kunstgenuss, kann man denjenigen, die weniger aktiv oder „gebildet“ als andere sind, das zum Vorwurf machen (wenn man da Ansprüche erhebt, was ja nicht zwingend ist). Und Leute verachten, die ihre Urteils- und Genussfähigkeit weniger ausgebildet haben als man selbst, kann man auch nur, wenn man glaubt, dass sie gar nicht anders können und wollen, weil sie eben so sind – dass es allein an ihnen liegt und nicht auch an den Umständen, mit denen sie zurechtkommen müssen (außerdem muss man sich auf die eigene „Kultiviertheit“ etwas einbilden – aber das ist nicht selten). Da liegt ein bisschen auch der Glaube zugrunde, das, womit jemand sich zufriedengibt, sei auch alles, was er jemals hätte erreichen können.
Der „gute Geschmack“ wird von vielen auch zu wichtig genommen. Man muss das spielerisch sehen und keine Selbstwertfrage daraus machen. Als ich oben den Satz zum „Progrock“ geschrieben habe, über den Nes sich so empört hat, habe ich auch nur spielen wollen. Da habe ich mal etwas provokanter formuliert als sonst und mich am nächsten Tag darüber amüsiert, dass die Provokation gewirkt hat. Nichts für ungut!
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To Hell with Poverty