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Mick67Aja, und wie stellst Du genau fest, daß die „Ausübung seiner Klischees höherwertiger als andere Musik“ ist?
Das musst Du nicht Herrn Rossi fragen, sondern diejenigen, die glauben, dass gute Rockmusik per se wertvoller sei als der R&B-Pop oder Dance-Pop in den Charts – die „Rockisten“.
Ich muss zugeben, dass ich den Ausdruck „Rockismus“ auch erst seit sechs oder sieben Jahren kenne. Kennengelernt habe ich ihn in der Bedeutung, die in der englischen Wikipedia angedeutet wird. Die Definition, die ich für mich übernommen habe, stammt von Erick Bieritz (aus dem Jahr 2005):
Erick Bieritz Rockism is an approach to music that uses the values of one genre as an unquestioned set of rules and then judges other music by those values. The normative genre has historically been rock, where modern popular music criticism grew up, and for better or worse the name has stuck.
Nach diesem besonderen Verständnis des Ausdrucks geht es bei „Rockismus“ nicht um Posen, sondern um die Werte, nach denen Musik und Performance beurteilt werden. Der Rockist hat seine Kriterien oder Idealvorstellungen anhand seiner bevorzugten Rockmusiker gewonnen und schlägt auch alle anderen Arten von Popmusik über diesen Leisten. Er misst sie an seinen Kriterien, denen sie natürlich nicht entsprechen, und wertet sie aufgrund dessen ab. So kommt auch die Überzeugung zustande, „gute Rockmusik“ sei per se wertvoller als der Pop von Beyoncé, Justin Timberlake oder Lady Gaga.
Anti-Rockismus ist dann einfach der Versuch, verschiedenen Arten von Musik gerecht zu werden, indem man sie jeweils an ihren eigenen Kriterien misst und nicht an fremden. So kann man z.B. Tanzmusiken nicht beurteilen, ohne dazu zu tanzen; und wer nicht tanzen will, sollte sich eines Urteils enthalten.
Anti-Rockismus ist natürlich nur ein Korrektiv, das einen vor Borniertheit schützen soll, und keine Leitlinie. „Offen sein für alles“ ist keine praktikable Maxime; das geht überhaupt nicht, und selbst wenn es ginge, wäre es nicht wünschenswert (der passende Spruch dazu heißt: „Wer nach allen Seiten offen ist, kann nicht ganz dicht sein“). Es widerspräche den Regeln des Pop-Spiels, die besagen, dass man sich von irgendetwas abgrenzen muss. Wer das hat, was ich für Geschmack halte, hört z.B. keine prätentiöse und bombastische Musik mit eskapistischen Texten und selbstverliebten Soli (auch „Progrock“ genannt).
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To Hell with Poverty