Re: musik und ihre wirkung

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otis
Moderator

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Beiträge: 22,557

ja, habt wahrescheinlich recht. ist vielleicht dummes zeug oben. oben habe ich auch noch ein bisschen nachgebessert im letzten absatz.

aber
1. ging es mir darum (auch in dem anderen thread), eine diskussionsgrundlage anzubieten, dh alles das mal auszuklammern, worüber man vielleicht nicht reden kann (was man so für gewöhnlich geschmack nennt oder halt die wirkung, die musik für einen hat etc)
2. ging es mir hier darum zu erklären, warum gewisse musik, und das ist nicht nur der prog, bei mir an verschlossene ohren klopft. dass das subjektiv ist, ist doch wohl das selbstverständlichste von der welt.

vielleicht noch ein paar sätze, damit ich wenigstens so verstanden werden könnte, wies gemeint war:

intentionen des musikers mit einzubeziehen (sie spiegeln sich ja im werk) ist deshalb wichtig, weil musik sonst immer indiskutabel bleibt, weil sie dann immer nur vom hörer ausgeht. allein dass ein stück in es-dur und vielleicht nicht in e-dur steht, hat schon was mit intention zu tun, ich will es doch gar nicht so hoch hängen!! dass ich ne mundharmonika nehme oder nicht, einen sample oder nicht…

ein für mich wichtiges kriterium habe ich oben viellleicht vergessen. das ist das des mehr oder weniger affirmativen charakters von musik.
ich meine damit: musik hat einen affirmativen charakter, wenn sie bestehende hörerwartungen von hörern oder des musikers bestätigt, verstärkt, bejaht. sie benutzt bekannte akkordfolgen, sounds etc…. um nicht anzuecken, sie betritt kein neuland, sie bleibt auf sicherem terrain. die wirkung auf den hörer hat etwas bestätigendes.
das gegenteil davon ist zb eine platte wie trout mask replica, die alles andere tut als obiges. die wirklung auf den hörer ist ebenfalls gegenteilig. er fühlt sich aufgeschreckt, kommt nicht zur ruhe, findet nicht sein hören bestätigt, sondern fühlt sich herausgefordert.

von meiner musik hat für mich country, oft auch soul was affirmatives, zb oldham, yo la tengo (nenne ich jetzt mal bewusst) velvet underground eher gegenteiliges.

und jetzt nehmen wir das beispiel „the lonesome death of hattie carroll“ vs „kristallnaach“. (aus der erinnerung leider)
hattie ist ein song, der von einer relativ seltsamen stimme vorgetragen wird, zu einer gitarre, die im hintergrund schrammelt mit relativ schriller mundhamronika an manchen stellen. sound und arrangement hatten für die damalige zeit nichts affirmatives und nerven viellelicht heute auch noch.
die songstruktur ist seltsamerweise relativ frei, die strophen haben eine unterschiedliche anzahl an versen. die form unterwirft sich damit dem inhalt des textes.
die harmonika wird eingesetzt, damit sie wirkung macht, verstärkend vor oder direkt nach dem refrain (weiß es nicht mehr genau), jedenfalls vestärkt sie das: but you who philosophize… und zögert es in der letzten strophe wohl auch noch hinaus.
die botschaft/intention der musik ist durch dies alles (wir können gern noch weiter in die tiefe gehen) eindeutig textbezogen. der hörer wir durch das wenig „affirmative“arrangement nicht etwa in seiner haltung bestätigt, sondern aufgerührt und angerührt. die musik macht wirkung, weil sie was mitteilen möchte, damit sie was mitteilen kann. die glaubwürdigkeit wird unterstrichen, durch den sehr persönlichen vortrag dylans (was natürlich kalkuliert ist/sein kann). hattie ist ein song, der wirkung macht, weil er was sagen will. (deshalb muss man sowas nicht mögen oder kann sich auch grundsätzlich dagegen sperren)

gegenbeispiel, um vom prog wegzukommen, baps kristallnacht.
wir haben es mit einem rockarrangement zu tun, das auf suspense aus ist. der song beginnt ruhig und man spürt durch arrangement , rhythmus etc dass eine steigerung kommt und beabsichtigt ist. in dieser erwartungshaltung wird der hörer innerhalb der nächsten paar minuten ganz toll bestätigt. am schluss rockt er richtig ab.
im text geht es wohl um die vereinnahmung und gleichschaltung von menschen, wenn ich das richtig erinnere. musik und text sind hier einander konträr. die aufklärende absicht des textes widerspricht der affirmativen haltung der musik.

noch mal: ich muss nicht mit der botschaft des textes einverstanden sein, ich kann sowas grundsätzlich ablehen, dass da jemand herkommt und mir was erzählen will. aber bitte bei kristallnacht passts in meinen ohren nicht zusammen.

ich argumentiere gern auch mal so über prog-songs, wo es ohne botschaft daherkommt. man nehme nur ein x-beliebiges gitarrensolo von hendrix vs eines von waters (der ist doch der giatrrist da oder?). da liegen welten dazwischen.

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