Startseite › Foren › Kulturgut › Das TV Forum › Allgemeine Fernsehtipps › Re: Allgemeine Fernsehtipps
Mittwoch, 11.01.06 (oder besser: in der Nacht vom 11.01. auf den 12.01.)
um 0.35 Uhr in der ARD: der beste Film, der 2004 in deutschen Kinos zu sehen war…
„The Return – Die Rückkehr“ (Regie: Andrej Swjaginzew)
Das Bravourstück. Auf den ersten Blick ein überzeugend gespieltes Kammerspiel außerhalb der Kammer:
Nach jahrelanger Abwesenheit kehrt der Vater heim zur Familie, streng wie autoritär, nimmt er seine beiden jungen Söhne mit auf Angeltour. Das Ziel ist eine einsame Insel…
Auf den zweiten Blick offenbaren sich religiös (oder auch politisch) motivierte Diskurse: Sind die späten erzieherischen Maßnahmen des Vaters, der am Tag der Ankunft noch in salbungsvoller „Abendmahl“-Zeremonie für die Seinen das Hühnchen teilte, Ausdruck eines unterdrückerischen konfessionellen (oder auch staatspolitischen) Systems oder führt die starke Hand eines wohlwollenden Messias?
Schaut man zum dritten Male, erheben sich philosophische Thesen: Die Erörterung des freien Willens; in der Wissenschaft eines der wichtigsten Themen der Stunde.
Denn in den Psycho-Duellen zwischen (Gott-)Vater und Söhnen geht es immer um die Durchsetzung des eigenen Willens, um Indoktrination.
Groß die Szene, in der die Brüder im Hafen via Fernglas und Fotoapparat ihre Umwelt und das Treiben des Vaters observieren. Hier wird angesichts kleiner Handlungsweisen der Forschungsdrang des Menschen an sich eingefangen.
Die Besteigung eines hölzernen Aussichtsturms als Weg zur Erkenntnis. Das Verharren auf dem Sprungturm oder am Straßenrand: Ausdruck individueller Sinnsuche. Flucht, Findung. Unsicherheit, Nonkonformität.
Swjaginzew inszeniert das spartanisch und doch (oder gerade deshalb) so tief, lässt dem Zuseher ausreichend Freiraum zum Mit- und Nachdenken (Kontemplation…immer ganz wichtig).
Wie bereits erwähnt: der beste Film, den ich 2004 sehen durfte.
http://www.kino.com/thereturn/index.html
--
"Wenn man richtig liest, löst man einen innerlichen kreativen Prozess aus. Die meisten Leser inszenieren einen Film. Weswegen es überhaupt kein Wunder ist und mediengeschichtlich konsequent, dass der Roman des 18. und 19. Jahrhunderts in die Erzählkino-Kultur des 20. Jahrhunderts übergegangen ist." (Peter Sloterdijk)