Re: Morrissey

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nail75

Registriert seit: 16.10.2006

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kramerFür mich gehört Maladjusted zu den drei besten Morrissey-Alben und Songs wie „Satan Rejected My Soul“, „Roy’s Keen“, „He Cried“, „Ammunition“ und „Maladjusted“ sind doch Morrissey at his best. Natürlich ist das kein leichtfüßiges Album – das lässt ja schon das Cover vermuten, aber eine durchgehend deprimierende und melodienlose Angelegenheit ist das Album wirklich nicht. Die niedrigen Verkaufszahlen würde ich nicht mit der angeblich fehlenden Klasse der Songs erklären. Das Album wurde damals von der Plattenfirma und letztlich auch durch die Musikpresse wirklich sehr stiefmütterlich behandelt und ging ziemlich schnell unter.

Es ist nicht nur „nicht leichtfüßig“, es ist bisweilen bleiern schwer. Allerdings nicht im Sinn von „depressiv“. Vielmehr ist das Album musikalisch überfrachtet und inhaltlich flach. Es fehlt all das, was Morrisseys Solowerk in seinen besten Momenten auszeichnet.

Sicher gibt es Moden und 1997 wollte niemand mehr Morrissey hören. Als er dann auch noch so ein schwerverdauliches Werk rausbrachte, brach alles über ihm zusammen: das war sicherlich ungerecht, denn so schlecht ist Maladjusted nicht. Allerdings finde ich die „Forumslegende von Maladjusted“ auch maßlos überzogen. Zu einer wirklichen Neubewertung kam es ja seitdem nicht – weder bei mir noch allgemein.

Sonic JuiceInteressant, wie die Wahrnehmung von „Maladjusted“ differiert. Für mich war das immer eines seiner reinsten Pop-Werke, das von eingängigen, aber nie plump anbiedernden Melodien und bisweilen nahezu warmherziger Ironie durchzogen ist. Neben dem sonnigen lalala von „Roy’s Keen“ stechen sinistre Momente wie im großartigen „Ambitious Outsiders“ noch mehr hervor. Allenfalls „Papa Jack“ fällt etwas ab.

Da ich gerade heute Your Arsenal gehört habe: das enthält etwa dreimal so viele Melodien wie Maladjusted, die auch mindestens dreimal so gut sind. Und Pop ist auf Maladjusted nur sehr wenig, jedenfalls sehr viel weniger als auf Your Arsenal. Und was du für Warmherzigkeit hältst, halte ich für Resignation und Gleichgültigkeit. Satan Rejected My Soul und Roy’s Keen sind vielleicht die einzigen Ausnahmen.

Ragged Glory* * * * * zu * * * *.

An „Papa Jack“ ist alles ergreifend.

Bitte? Das ist einer der lahmsten und vorhersehbarsten Texte, die Morrissey jemals geschrieben hat. Und die ganze Aufnahme ist ein Tiefpunkt seiner Karriere: man spürt förmlich, dass ihn das alles gerade gar nicht interessiert. Die komplett misslungene Produktion hast du ja unten gut beschrieben. ;-)

Die brüchigen Akkordfolgen auf der akustischen Gitarre, der lyrische Spagat zwischen Melancholie („Papa Jack wants to turn back the clock/And reach out to the kids/He once had/Who have flown“) und Trotz („But there was a time/When the kids reached out/Papa Jack just pushed them away“). Dass der zweiteilige Song zärtlich und bittersüß anfängt und dann ins Space-Rock-Register umkippt (samt insistent dudelnder Lead-Gitarre und schizophrenem Gejodel), macht ihn für mich nur noch unwiderstehlicher.

„Ammunition“ kann zwar nicht mit „Papa Jack“ mithalten, ist aber dennoch schön eingängig. Und Mozza versucht uns glaubhaft zu versichern, dass er mit sich im Reinen ist – und keine Rachegelüste mehr schiebt. Cheeky.

Ich sag ja: Desinteresse, Resignation, Musik nach Zahlen, dringend benötigte Karrierepause.

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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.