Re: Morrissey

#1855281  | PERMALINK

nail75

Registriert seit: 16.10.2006

Beiträge: 45,181

Dennis BlandfordMaladjusted ist geliebt oder gehasst, es gibt kein „Ganz OK“. Was du als produktionstechnichen Trick beschreibst um „Fehlende Substanz“ zu verschleiern höre ich als absolut passende Produktion von erwachsenen Popsongs, mit immer feinen Backing Chören von Alain Whyte und dem nötigen Pomp, z.B. auf „Troble loves me“, wenn es passt. 3 fantastische Singles, von denen Alma Matters die beste unter sehr guten ist und Morrissey mit einer Stimme wie sie mir vertauter nicht sein könnte. Lillyhyte produzierte und kanalisierte die Stimme nämlich noch wo man (bzw. Morrissey) heute glaubt, sie sei so toll und großartig, dass man sie am besten live einfangen sollte (direct first take). Dass er auf den neuen Platte teilweise etwas zahnlos klingt und wenn er Falsett probieren muss m. E. oftmals scheitert finde ich ganz und gar nicht gut.
Die Platte kam im August 1997 auf den Markt und sie hat die musikalische Wärme, die mich bis heute erreicht. Auch Papa Jack, das überdeutlich nach dem Break Whytes Lieblingsband The Who zitiert und das sehr lässige Ammunition sind mir lieb und teuer.

Was die Stimme angeht, gebe ich dir recht. Die klingt tatsächlich gut. Leider hat das Album aus meiner Sicht zu wenige Melodien, Songs oder auch nur einprägsame Textzeilen. Alma Matters ist trotz des für mich nicht vorhandenen Sinns nicht komplett schlecht, aber auch 1-2 Minuten zu lang. Trouble Loves Me ist übrigens ok, sicher eines der besseren Lieder. Ansonsten ist das Album einfach sehr durchschnittlich und für Morrisseys Verhältnisse textlich sehr schwach (Papa Jack und Ammunition). Und diese unnötigen Gitarrenbreaks machen es nicht besser.

Ich bleibe dabei, dass Teile der Platte fehlproduziert sind, insbesondere Ambitious Outsiders mit dem Orchester, das dem Song absolut nichts hinzufügt, aber auch Maladjusted mit dem damals zeitgemäßen, heute eher weniger überzeugenden Gitarren zu Beginn.

Wärme empfinde ich übrigens keine, im Gegenteil, das Album klingt für mich sehr schwer.

Bereits beim Opener, einem Nachhall auf Southpaw, wickelt Morrissey gekonnt seine Paranoia um einen monolitischen Song von Boorrer, der als Demo 20 Minuten lang war. Damals gelangen ihm noch solche Soundexperimente bzw. sie waren richtig interessant u. innovativ. Kein Jangle Pop sondern schroffe Songstrukturen, an denen Morrissey sich abarbeitete.

Es hatte seinen Grund warum Wilander damals sehr verzückt ***** gab.

Es hatte aber auch seinen Grund, warum Morrisseys Karriere danach für mehr als ein halbes Jahrzehnt vorüber war. Das Album enthält eben auch keine Singles, keine Songs, an die ich mich positiv erinnere, wenn es vorüber ist. Sicher, der Hass, der ihm entgegenschlug, war übertrieben. Aber das niemand das Album gekauft hat, finde ich im Rückblick nicht überraschend.

--

Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.