Re: Die besten Texte

#1809439  | PERMALINK

joerg-koenig

Registriert seit: 09.08.2002

Beiträge: 4,078

Achim Reichel: Viertelstunde Superstar
(Text: Uli Becker)

Mittags steht er in der Tür und gähnt,
hält erst den Hut in die Luft, ob jemand schießt.
Doch heut fliegt kein Blei, und er tritt auf die Straße,
weiß bloß nicht mehr, wo sein Wagen parkt.

Das Auto finden geht noch, aber dann…
Wo ist der Schlüssel, was wird hier gespielt?
Was war letzte Nacht, ihm fehlt ein Stück –
Filmriss knapp vorm Happy End.

Irgendwann macht Andy Warhol sein Versprechen wahr:
Jeder mal 'ne Viertelstunde Superstar.
Leben ist wie schmutzige kleine Filme seh'n,
immer die alten verregneten Kopien, zerstückelte Szenen.

Sie mit dem Sportcoupé zum Baggersee.
Heut mach ich blau, man lebt nur einmal.
Bikinistreifen noch vom letzten Jahr
und niemand da, der sie ihr eincremt.

Was raschelt da am Ufer, ist da wer?
Kommt er die Einsamkeit hier mit ihr teilen?
Sie spürt die Jane in sich erwachen,
doch Tarzan ist und bleibt ein Frosch.

Irgendwann…

Nach Hause will er nach dem Kino nie.
Noch'n paar Luckies rauchen unten im „Dschungel“.
So echt die Palmen hier, so cool die Cocktails,
fehlt eigentlich nur der schwarze Mann am Boogie-Woogie-Piano.

Und dann ein blonder Traum, zum Greifen nah.
Ihr Sonnenbrand reicht tief ins Décolleté.
Ob er mal Feuer hätte? Aber sicher, immer.
Das Bild bleibt steh'n, der Film fängt Feuer.

Irgendwann…

--

Wenn wir schon alles falsch machen, dann wenigstens richtig.