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clasjaz
Das waren nur hingeworfene Namen zu den Cahiers, sicher fehlt da Chabrol, und wohl auch Doniol-Valcroze. Und mit der Entfernung meinte ich nichts weiter, dass sie trotz des gemeinsamen bilderstürmerischen Anfangs sehr verschieden weiter gemacht haben – „am verschiedensten“ JLG, wohl deshalb, weil er die Form des Kinos (ob man dem folgen will oder nicht) am entschiedensten (ich meine jetzt nur im Vergleich zu den paar Genannten) reflektiert hat; auch dadurch, dass er sie in alle möglichen Bezüge stellt (Literatur, Musik, Arbeitsbedingungen überhaupt und was nicht alles). Chabrol z. B. – klar, der Angriff auf die Bourgeoisie, aber die Filme reizen mich inzwischen nicht sehr viel mehr als irgendein Fernsehfilm, also kaum.
Ach so. Jetzt verstehe ich das mit dem “Entfernen”. Du hast Recht, Godard war und ist in dieser Beziehung der Regisseur, der sich am wenigsten hat ablenken lassen. Da passt dann wunderbar ein Satz aus einem Film Alain Tanners: “Nicht die Uhr läuft verkehrt, sondern die Welt”.
Ich glaube, aus der “Cahiers-Ecke” ist Chabrol derjenige Regisseur mit den meisten unbefriedigenden Filmen und es ist nicht zu leugnen, dass er gelegentlich ziemlichen Käse gedreht hat. Allerdings eben auch beeindruckende Werke, wie BETTY, MASQUES, POULET AU VINAIGRE, ALICE OU LA DERNIERE FUGUE, und in den Siebzigern JUSTE AVANT LA NUIT, LA RUPTURE, LE BOUCHER, NADA oder LES NOCES ROUGES.
Zwar kann ich mir etwas unter „Thesenregisseur“ vorstellen, aber nicht genug, um darunter Rohmer zu sortieren. Vielleicht fehlt mir auch der Überblick über Rohmer; jedenfalls kann ich z.B. in den Jahreszeiten- oder Sprichwörterzyklen als einzige „These“ eben das Programm dieser Filme entdecken. Also so gesagt: Ich verstehe noch nicht, dass diese Gemeinsamkeit – wenn Du die überhaupt meintest – eine echte Gemeinsamkeit ist; da kommen mir die handgreiflichen Unterschiede in den Bildern zu kurz.
Ja, richtig. Die handwerklichen Herangehensweisen von Godard und Rohmer sind unterschiedlich. Beide experimentieren allerdings gerne mit semi-dokumentarischen Aspekten und in ihren Filmen wird oft diskutiert; Dialoge, Kommentare und Statements haben eine entscheidende Bedeutung. Beide sind Theoretiker: Godard der des Kinos, Rohmer der der Liebe. Daher meine “Thesen-These”. Bei Godard zielen diese oft auf gesellschafts- oder arbeitspolitische, auch auf revolutionäre “Formeln” (der Godard der Sechziger und 68-er, aber z.B. auch in SAUVE QUI PEUT (LA VIE)), bei Rohmer zielen diese auf den zwischenmenschlichen Kosmos der Protagonisten (von den CONTES MOREAUX bis zu COMEDIES ET PROVERBS).
Rohmer hat einmal gesagt: “Die Wahrheit liegt nicht in dem was die Personen im Film über sich selbst sagen, auch nicht in ihrem bloßen Verhalten, sondern in der Gegenüberstellung dieser beiden Aspekte.” Sowohl bei Rohmer, als auch bei Godard wird viel erklärt, und es besteht häufig ein Widerspruch zwischen dem was geredet und dem was getan wird. Dieser Widerspruch entspricht auch dem Unterschied zwischen dem was sich die Personen wünschen und dem, was sie erreichen. Da sehe ich Gemeinsamkeiten von Rohmer und Godard.
… [Ich merke gerade, dass das mehr und mehr zu einem Exkurs über Rohmer wird, also gar nicht hierhin gehört. Ich werde mal nach einem Rohmer-Thread suchen.]
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