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Anonym
Registriert seit: 01.01.1970
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Angenehme Wiederbelegung, gypsy! Habe den Thread nun auch gelesen, stimmt schon, manches gehörte wohl eher in einen Chat oder wie das heißt – ich habe mir fürs erste davon einmal notiert: Enthusiasmus vs. Godard existiert ohnehin heute nicht mehr. Jenen kann ich teilen, wenn da sicher auch Auseinandersetzungen möglich sind, diesen – Godard sei heute nicht mehr relevant – halte ich für ein Missverständnis. Ich bin kein Cineast, gucke mir Godard-Filme ebenso auf einem 30 x 40 cm-Bildschirm an wie ich historische Knacksaufnahmen höre, lasse also irgendwelche Darstellungsfeinheiten einmal beiseite, obwohl ich sie ja auch schätze.
Die Filme aus den 60ern, die hier und im Sterne-Thread, von Ausnahmen abgesehen, so überwiegen, habe ich erst gesehen, nachdem ich Feuer bei »Hélas pour moi« gefangen hatte, also einem der Filme, der landläufig zu den »Film-Essays« gezählt wird und mit 1993 aus einer Zeit stammt, in der Godard schon abgewirtschaftet habe. Wenn man bei dem »Essay« Brecht mit meint, soll es mir recht sein – den hat Godard spätestens in »Le mépris« aufs Trapez gehoben – was in den Meinungen zur anfänglichen Kamerafahrt gar nicht erwähnt wurde. Das mag allenfalls noch eine schlichte Form der Verfremdung gewesen sein – später hat es Godard ordentlich radikalisiert. Aber was heißt schlicht: das ist wohl eher von Zeit und Alter abhängig.
Aber wo nun konkret einsetzen, für den Anfang: Ich sehe es nicht wirklich, dass der Mythos BB in »Le Mépris« zerstört werden soll – glaube aber sofort, dass das Godard intendiert haben könnte. Müsste man mal mit »Nouvelle Vague« und der »Zerstörung« Delons vergleichen. Oder der Depardieus. Mir fällt bei dem Auftauchen dieser Starschauspieler bei Godard zunächst einmal dies auf: sie sind keine Stars mehr. (Ähnlich Piccoli bei Rivette, oder amerikanischen Schauspielern beim späten Tarkowskij). Aber das eher, weil der Film als solcher sie untergehen lässt – was den Sternchenbetrieb angeht -, als dass sie wirklich zerstört würden. Aber gut, auch das ist eine Form der Zerstörung. Meintest Du die?
Zitate. Scheint mir sehr wesentlich für den Impetus von Godard zu sein – wenn auch nicht erforderlich, um einen seiner Filme zu »lieben«. Dennoch: Da ist etwas, dass nur in der variierenden, aufdeckenden, entlarvenden Wiederholung erkennbar wird – wir Zuschauer täuschen uns sicher oft darüber, ob eine Einstellung bei Godard Hommage an Schönheit etc. oder ihre Entlarvung sein soll. Da scheint mir Godards Meinung zu sein, dass jede Lebensregung darauf hin befragt werden kann, ob sie entfremdet – und am ehesten geschieht dies eben durch Arbeit, so verstehe ich sein Insistieren auf diesem Zusammenhang – ist oder zumindest werden könnte. Die simpelste Art der Entfremdung in der Kunst ist die der »Erzählung«, das »und dann geschah das und dann das usw.«: so sehe ich jedenfalls heute und jetzt die Zuspitzung in den jüngsten Filmen: das Überlagern von Ton und Bild und Inserts, das überdies noch asynchron ist. Das hattest Du ja schon zu »Une femme est une femme« bemerkt, dort ist es noch sehr einfach gehalten – dass dort die Leute schon staunten, wunderlich. Sie wollen halt Geschichten. Übrigens ist die nachträglich auf Produzentenwunsch eingefügte »Nacktszene« in »Le mépris«, zumindest was die Wortelogen betrifft, aus »Une femme est une femme«. Das ist die andere Ebene des Zitats, die ich bei Godard immer wieder finde: er zitiert sich selbst, konsequent – auch die eigenen Geschichten müssen aufgegriffen, diskutiert und daraufhin befragt werden, ob sie bloße Geschichten sind. Oder: ob sie bloße Füllsel sind, technische Beliebigkeiten. War das in JLG sur JLG, als er einen Kameramann zurechtredet, der sich nach neuer Mode auf den Boden legt, um Godard von dort im Schnickschnackwinkel aufzunehmen? Godard, ungefähr:»Sie machen das nur, weil sie bezahlt werden. Es gibt keinen Grund dafür, das zu tun.« Und trotzdem ist das Rot wichtig und die Villa und was alles noch – das Gelb zum Beispiel, das er, na ja, auch immer zitiert und irgendwann auch einmal als das Gelb von Van Gogh identifiziert. Ich habe den link gerade nicht parat, werde ihn aber heraussuchen zu den »Histoire(s) du cinéma«: dort findet sich eine penible Szenenanalyse mit allen Zitaten: eine Enzyklopädie.
Ich hatte nur »Hélas pour moi« als weiteren Film erwähnt, der mich in den Bann geschlagen hat – Godard selbst übrigens hält ihn für schlecht. Dasselbe hat er über »Le mépris« gesagt. Über etliche, wenn nicht alle seiner Filme. Der Mann arbeitet eben, da lobt man sich nicht geradewegs. Trotzdem: den Spaß gibt es allerdings …
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