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Zu den Franzens mal ein schöner Artikel:
Die Band des Jahres 2004 kommt aus Glasgow. Sie wird ab sofort alle Titelblätter der Musikpresse erobern. Sie wird die Herzen der internationalen Kunststudentinnen mit einer Neigung zum Retro-Schick (Forschungsgebiet: frühe 80er-Jahre) brechen. Junge Männer mit Hornbrille werden aus den Proseminaren der Geisteswissenschaftlichen Fakultäten hin zum Bühnenrand getrieben werden, wo sie in tiefster Verzückung innerlich ekstatisch tanzen und dann in ihren Fanzines mit vielen beeindruckenden Fremdwörtern darüber berichten. Schließlich wird dort oben gerade mindestens halbironisch das Revival der Dekonstruktion der Postmoderne im Dreieinhalbminuten- Format ausgerufen.
Was uns schließlich zu den alten Säcken bringt. Die lesen im „Spiegel“, dass es sich bei Franz Ferdinand um die neueste große Hoffnung im Rock’n’Roll handelt – und sie googlen im Internet, wer denn eigentlich diese bezüglich Franz Ferdinand dauernd genannten alten Bands waren, die sich Gang of Four, Orange Juice, Josef K, The Fall, Wire und sogar Joy Division nannten und Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre die damals wunderbarste Musik des Planeten machten. Darauf und hörbar auch noch auf die frühen Roxy Music berufen sich Franz Ferdinand als das neueste Wunderding aus Großbritannien nämlich sehr, sehr eindeutig.
Die Einsicht, dass gut gestohlen besser ist als schlecht kopiert, stammt ebenfalls aus dieser Zeit. Und Franz Ferdinand, die sich nach dem 1914 in Sarajewo ermordeten Habsburger Erzherzog benannten, dessen Tod unter anderem den Ersten Weltkrieg auslöste, was aber egal ist, weil der Name für einen Englisch sprechenden Menschen einfach cool klingt, Franz Ferdinand wissen in bester britischer, Verzeihung, schottischer Poptradition als ehemalige Besucher einer Kunstschule selbstverständlich um den Reiz von fremden Federn. Bei der Technik der Collage muss man sich ja nicht unbedingt selbst mit Farbe dreckig machen, um Kunst zu produzieren. Wir hören beim Debüt von Franz Ferdinand also eckigen, kantigen und mehr oder weniger eins zu eins übernommenen Früh-Achtziger-Pop mit schlanker, meist vom Bass getragener Melodieführung und kurz gerissenen Gitarrenakkorden, dazu Einflüsse aus klassischer Disco und dem in Kunststudentenkreisen obligat als musikalischer Einfluss angeführten Krautrock der repetitiven Sorte, Stichwort Can aus Köln, frühe 70er-Jahre.
Der freche Ideenklau, der sich in Anlehnung an Andy Warhols legendäre Factory der 60er-Jahre auch in von Franz Ferdinand inszenierten, illegalen Kunstpartys in ihrem „Chateau“ in Glasgow, einer aufgelassenen Fabrikshalle manifestierte, geht sich allerdings unter Ausblendung jedweden historischen Wissens ganz prächtig aus. Die Band hat nämlich etwas, was vielen plumpen Kopisten immer hörbar abgeht, die Band hat nicht nur Stil. Der bietet sich dem Betrachter schon rein äußerlich über spitze Schuhen und korrekt gebügelte Hemden dar. Die Band hat vor allem – und das ist das entscheidende Kriterium: Swing. Und Franz Ferdinand haben auch Witz. Dank Gitarrist Nick McCarthy, der lange Jahre in München lebte und dort klassische Klaviermusik studierte, findet man auch – très chic, wie wir Engländer sagen – deutsche Lyrik aus bandeigener Fertigung. In „Darts of Pleasure“ hören wir die bemerkenswerte Zeile: „Ich heiße Superfantastisch, ich trinke Schampus mit Lachsfisch.“ Wenn da bloß nicht das Tier im Hals stecken bleibt.
Im „Manifest“ dieser wunderbaren Band, zu deren Musik hoffentlich nicht nur die Mädchen tanzen werden, stehen nur die allerklügsten Ratschläge. Etwa jener, dass man sich von Fußballer-Vokuhilas auf dem Kopf möglichst rasch trennen sollte: „Lass dir die Haare hinten und an den Seiten kurz schneiden.“ Jawoll! Die neue Welle ist die alte Welle. (DER STANDARD, Printausgabe, 13.2.2004)
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Genie kommt von Genieren, dicht sein kommt von Dichtung, Schnaps kommt aus der Flasche, Volk kommt von Vernichtung. Werner, oh Werner. Werner! Oh Werner, oh Werner. Werner!