Re: Musikalisches Tagebuch

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irrlicht
Nihil

Registriert seit: 08.07.2007

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Dabei habe ich meine eigenen Erfahrungen mit diesem Album ja noch sehr kurz gefasst. Danke für Deine. Erstaunlich finde ich gerade aber, dass hier der Eindruck entsteht, als sei „The Velvet Underground & Nico“ eine unmenschlich komplexe, fast undurchdringliche Platte, die vor Lärm kaum einen schönen Ton offenbart. Was einfach Schwachsinn ist. Das Erstaunliche ist allenfalls, dass es sich hier um ein Konsensalbum handelt bzw. ein enorm bekanntes Werk, das dennoch Einblick in viele Züge menschlicher Emotion zeigt. Verstörung, Zärtlichkeit, Betörung, Zerstörung, Schwäche, Schalheit, Witz, Schalk und Temperament. Allgemein eine sehr lebendige Platte. Ich mag, dass sie immer auch geheimnisvoll klingt, aus der Zeit gefallen, ich kann die Songs heute hören und sie klingen immer noch so farbenvoll und eindringlich wie vermutlich vor fünfzig Jahren. Ich finde großartig, wie Reed und seine Gang so viel zusammen tragen, was mich auch heute noch fasziniert und aufhorchen lässt. Fast sakrale Töne, wie in „Alltomorrow’s parties“, dieses angebleichte Einklingen der Gitarren in „Heroin“ bis alles förmlich zerfasert, fast klassische Songstrukturen, große Noise-Verschmelzungen und musikalische Clashs wie in „Venus in furs“ oder „The black angel’s death song“, dazu dieser verstörend-romantische Unterton sobald Nico am Mikrofon steht – das Album hat schon einen leichten Chanson-Einschlag, nur ist es eben nicht rein lieblich, sondern Nico legt jeder Rose Mottenkugeln bei. Ich liebe jeden Ton, den diese Frau zu Lebzeiten gesungen hat, speziell ihre eigenen Alben nach „Chelsea girl“ (eine Art verlängerter Arm der Banane). Dennoch: Dieses Album begleitet mich länger, seit über fünfzwanzig Jahren mittlerweile. Nicht alle Songs schätze ich gleichermaßen, aber der Großteil davon ist meine DNA, ich kenne vermutlich jede Sekunde davon und immer wenn ich die Einleitung mit Tamburin und dem typischen Schlagzeugsound höre, dazu diesen dominante Bassanschlag, wenn Nico „She’ll turn once more to sunday’s clown/And cry behind the door“ singt, dann stellt sich noch heute jedes Härchen an meinem Körper auf.

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Hold on Magnolia to that great highway moon