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Anonym
Registriert seit: 01.01.1970
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SokratesGerade bei jemandem wie Bowie würde ich sagen, dass in die Wahrnehmung und Bewertung seiner Musik in hohem Maße zahlreiche andere Faktoren einfließen. Der Thin White Duke war Imageträger und Identifikationsfigur: dünn, cool, androgyn, charismatisch, avantgardistisch, wirkte souverän, clever, unabhängig, nahm Drogen, rauchte und ging nach Berlin (war ja damals anders als heute, in der Zone und so) Vgl. dazu Christiane F.?!
Und diese Sichtweise finde ich sensationell eindimensional und ignorant. Wenn das stimmen würde, würde keine Imagekampagne der Welt funktionieren. Tun sie aber. Rate, warum. Weil der Mensch sich beeinflussen lässt, von Werbung, aber auch der Meinung anderer.
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Kann es sein, dass Du hier überziehst? Ich rede jetzt nur von mir: Ja, damals Bowies Berlin Phase zu ignorieren, war für wahrhaft Musikinteressierte fast nicht möglich. Oder stark verkürzt: Wer will als junger Mensch nicht als „modern“ oder sogar avantgardistisch gelten? Mehr als von außen gab es schon einen hohen, inneren Druck diese Alben „haben“ zu wollen. Aber Hype hin und Schön-Hören-wollen her: Das funktionierte bei mir nicht, damals nicht, heute nicht; und wenn, dann nur widerwillig mit Selbstbetrug für kurze Zeit
Es mag ja Leute geben, die Alben allein wegen ihrer Bedeutung, ihres Einflusses auch heute noch schätzen und deshalb Bestnoten vergeben. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass es bei der Mehrzahl ausschließlich am ungetrübten, eigenen Empfinden und Hörvergnügen liegt – Jahrzehnte hält der beste Werbeeffekt nicht an. „Klassiker“, die mich nicht (mehr) ansprechen, verschenke ich vielleicht nicht so schnell wie andere Alben, d.h. allerdings nicht, dass ihnen Jubelarien sicher sind.
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