Re: Musikalisches Tagebuch

#1604793  | PERMALINK

sokrates
Bound By Beauty

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Harry RagDann beziehe dich doch mal auf Drone. Dort gibt es mitunter eine direkte körperliche Wirkung, unter Umgehung aller geistigen Kapazitäten oder durch die Aussperrung des bewussten Denkens. Eine Art Trancezustand. Ist das keine „unmittelbare Freude“? Vielleicht sogar eine noch unmittelbarere Freude als ein schön geträllertes Melodielein?

Statt Drone können wir auch über indische Tempelmusik oder Zwölftonmusik als Beispiele sprechen: Wenn man früh genug intensiv genug damit sozialisiert wurde, mag man es für sich als wohlklingend empfinden. Nur, dass das für die wenigsten Mitteleuropäer gilt.

Herr RossiDass das locker aus der Hüfte geschossen sein sollte, ist mir schon klar. Aber es macht mir doch den Eindruck eines Schauschießens. Du solltest Dir Sorgen machen, wenn keine Reaktionen kommen.;-)

Umso mehr weiß ich zu schätzen, dass Du reagierst hast. Darf ich mich bei Dir auf die Couch legen? ;-)

Herr RossiSelbstverständlich hat Musikhören auch einen sozialen Aspekt. Aber das beschränkt sich ja nicht auf eine bestimmte Musik und sagt daher gar nichts über „Third“. Du hältst doch einiges auf harte Zahlen? „Third“ ist das beliebteste Album des Jahres 2008 auf Rateyourmusic. Wie erklärst Du Dir das? Haben die sich alle die Musik verzweifelt schön gehört? Warum? Und für wen? Könnte es nicht doch ganz einfach sein, dass diese Musik bei vielen Menschen eben nicht durch Autosuggestion funktioniert, sondern weil diese Musik sie unmittelbar bewegt? Mir ging es jedenfalls so. Kann ich Dir nicht beweisen. Aber ebensowenig kannst Du mir das Gegenteil beweisen.

Gerade RYM, auf die mich zugegeben auch gern berufe, weil die Fallzahl höher ist als hier, unterliegt gleichzeitig heftigsten statistischen Verzerrungen. Schau Dir mal, wenn Du eine Minute hast, die Alben-Bewertungen von Green Day, U2 oder Taylor Swift an: Da kannst Du schön studieren, dass alles runtergevotet wird, was, Achtung, „kommerziell erfolgreich“ ist. Da funktioniert der Reflex, dass breiter Erfolg „Verrat an den Ursprüngen“ (Green Day) ist oder Reißbrettmusik für Teenis (TS). Oder im Falle U2s schlägt die Abneigung gegen Bono zu Buche. Woran wir erkennen, dass die Bewertungen mit der Musik selbst wenig zu tun haben.

Umgekehrt gibt es eine Neigung, sich mit dem Coolen, Angesagten zu assoziieren, um selbst cool zu sein. Menschen haben viele Wege gefunden, sich in die Tasche zu lügen, weil sie nach sozialer Anerkennung dürsten. Ich bin kein Misantroph, wollte aber ein paar Erklärungsansätze anbieten, wie solche Votings zustandekommen. Zugegeben, nichts was ich beweisen kann, Widersprüche, die mir zu denken geben, aber ich hoffe, ich habe ein paar plausible Annahmen zu ein paar typischen Fällen präsentiert.

22. Januar 2015

1 mal
Russ Ballard – Russ Ballard
Blue Öyster Cult – Some Enchanted Evening
U2 – How To Dismantle An Atomic Bomb
Taylor Swift – Red

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„Weniger, aber besser.“ D. Rams