Re: Musikalisches Tagebuch

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sokrates
Bound By Beauty

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Onkel TomFreut mich, dass dir die „Sarabande“ so gefällt. Ich hab noch die LP. Viel besser als die anderen Sachen, die er auf diesem Gebiet ausprobiert hat.

Missverständnis, Tom. JEW bezog sich auf Jimmy Eat World, nicht Jon Lord. :-) „Sarabande“ war ein Wiederhören – auch ich haben noch die LP – im Zusammenhang mit meiner 76er Liste, zu dem ich mich zehn Jahre lang nicht aufraffen konnte. Es war aber wider Erwarten ganz gut – einige Stücke verbinden Klassik und Moderne zu einer überzeugenden Melange. Sie wirkt nicht so künstlich zusammengebastelt wie ähnlich gelagerte Projekte.

Onkel TomWie ist denn die David Gray? Hab bisher von ihm nur „Life In Slow Motion“ und „White Ladder“. Beide Klasse. Was sollte ich dann noch haben?

„Foundling” entstand als Abfallprodukt aus den „Draw the Line”-Sessions, weswegen das Album auch so kurz nach dem DtL-Release herauskommt. Die Stücke sind kärger instrumentiert, aber – wie meist bei DG – sehr eindringlich vorgetragen. Erster Eindruck positiv. Beim Probehören war ich spontan angetan, obwohl ich keine Kaufabsicht hatte. Seine Stimme geht mir nach wie vor unter die Haut. Besternung folgt im Sterne-Thread, wenn ich die Platte besser kenne.

Mein einziger Kritikpunkt richtet sich daran, wie Gray komponiert: Öfters wechselt eine Strophe nur zwischen zwei Akkorden, und da würde ich mir gelegentlich einen dritten, vierten, fünften oder auch tonartfremden wünschen – was übrigens Paul McCartney zu einem interessanteren Komponisten macht. Der hat zwar auch einfache Stücke geschrieben („Yellow Submarine“), marschiert aber manchmal souverän durch die Tonarten („The Fool on the Hill“, „Blackbird“, „Penny Lane”).

Daneben irritiert mich die merkwürdige Veröffentlichungspolitik: Erstens kostet die Doppel-CD-Ausgabe knapp 20 Euro; zeitlich hätte man die 19 Tracks problemlos auf eine Disk bekommen können. Das riecht etwas. Schlimmer indessen, dass die großartige Single „A Moment Changes Everything“ der letzte Track auf der Bonus-CD ist. D.h. wer die Einzelausgabe kauft, erhält einen der besten Songs nicht – bzw. wird dazu gezwungen, die Doppelausgabe zu kaufen. Es sei denn, er downloadet bei iTunes. Das riecht noch etwas mehr.

Empfehlungen? Auf seinem Frühwerk sucht er sich noch. Er kommt aus der klassischen Singer-Songwriter-Ecke (a man and his acoustic guitar), rockt dann mit Band („Sell, Sell, Sell“), um schließlich auf „White Ladder” diesen außergewöhnlichen Stil mit billigen Keyboards und Drummachines zu finden – Meisterwerk. Mit „Slow Motion” hast Du sein zweites Meisterwerk – am Klavier entfalten sich seine Songs auch sehr gut.

Vielleicht schließt Du die Lücke mit „New Day at Midnight”, auf der Gray die Stücke noch stärker mit synthetischen Sounds arrangiert als auf WL. Ich habe damals eine Weile gebraucht, um mit dem kühlen Ergebnis warm zu werden; inzwischen mag ich die Platte auch sehr. Nach SloMo hatte er offenbar einen länger andauernde Schreibhemmung, die er auf „Draw the Line”, seinem ersten Album nach vier Jahren, überzeugend abgelegt hat. Die dann vielleicht danach.

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„Weniger, aber besser.“ D. Rams