Re: Musikalisches Tagebuch

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nail75

Registriert seit: 16.10.2006

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gypsy tail windWohl als eine komplette Verweigerung?
Karge Instrumentierung, karge Songs, alles kurz, knapp, präzis, schnörkellos gespielt.
War damals wohl komplett dem Zeitgeist (psychedelic rock, Joplin, Dead, Hendrix etc etc) zuwiderlaufend.

Für mich ein wunderbares Album, wohl satte ****

Übrigens klingt da auch Dylans Stimme erstaunlich agil und beweglich – noch mehr dann auf „Nashville Skyline“ (da war er dann wohl endgültig im Abseits… und mit „New Morning“ und den anderen Sachen bis zur Tour mit The Band und „Planet Waves“ blieb er da wohl auch… schön sein Auftritt als „Alias“ bei Peckinpah! Nur schade, dass dieser hübsche Song über den Credits zu so einer hohlen Hymne gemacht werden musste…)

Bei mir ****1/2

Ich war oben nicht ganz präzise. Ich habe mich gefragt, wie ich das Album interpretiert hätte, wenn ich 1967 dabei gewesen wäre.

Eine komplette Verweigerung war JWH sicher nicht. Das hat damals auch niemand so empfunden. Dylan hatte ja bereits 1964/65 einen radikalen Richtungswandel vollzogen, JWH konnte daher niemanden schocken – und hat es auch nicht. Im Gegenteil, die Musikwelt wartete ja begierig auf ein Lebenszeichen von Dylan. Das Album war kein Misserfolg, weder bei den Kritikern noch bei dem Publikum, Nashville Skyline erst recht nicht und im Abseits war Dylan schon gar nicht. In den Zeitgeist passte es wohl wirklich nicht, aber gerade diese Jahre waren ja von großer Vielfalt der Stile gekennzeichnet. Dylan operierte aber ohnehin in seinem eigenen Kosmos.

1967 war aber auf keinen Fall abzusehen, dass seine nächste größere Tour sieben Jahre in der Zukunft liegen würde. Das zeigt die große Gefahr, dieses Album rein aus der rückwärtigen Perspektive zu beurteilen.

In der Tat: Die Musik ist sehr präzise, fast gelassen, Dylan singt souverän (und weder besonders agil noch beweglich, das war er schließlich immer in den 1960ern), aber das verschleiert etwas die aufgewühlten Inhalte des Albums. Eine virtuose Mischung aus religiösen Anspielungen, autobiographischen Inhalten und amerikanischen Mythen könnte man es wohl nennen.

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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.