Re: Musikalisches Tagebuch

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sokrates
Bound By Beauty

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nail75@Sokrates: Ich habe die Hawley auch verkauft, weil das Musik für Menschen, die einen höheren Toleranzbereich für zuckrige Arrangements haben. Dieses Album war aus meiner Sicht eindeutig „too much“. Vielleicht sollte ich mich mal mit Cole’s Corner beschäftigen, das ist ja wohl sein bestes Werk und vielleicht ist das nicht ganz so überladen wie „Bridge.“

:bier:

Manchmal verändert sich die Wahrnehmung und Einschätzung einer Platte, wenn etwas Zeit vergeht und man Distanz gewinnt. Vor allem, wenn es sich um eine anfängliche Enttäuschung handelt. Ich mochte Richard Hawleys Platten „Late Night Final“ und „Cole’s Corner“.

Aber ganz anders „Lady’s Bridge“: Da ist die Enttäuschung zwei Jahre später noch schlimmer geworden. Schwülstige Streicher („Valentine“), sentimentale Sülze („Serious“), schlappe Schunkelnummern („Dark Road“) – der Schmalz trieft und tropft nahezu ununterbrochen aus den Lautsprechern.

Was immer sich Hawley dabei gedacht haben mag, diese Platte ist mit einem Wort: Kitsch – und nicht so, dass es schon wieder gut ist. Nein: Richtig kitschig. Auch textlich: „Tonight the streets are ours.“ Stell dir das mal auf Deutsch vor: Heute Nacht gehören uns die Straßen. Dafür würden sie Dich kreuzigen (Sie = diejenigen, die an Annett Louisan rumkritteln.) „Take her in your arms, and never be afraid.“ „Down By the River, I can’t forget her.“ Usw. Gruselig! Sätze, die meine Magenperistaltik auslösen.

Dennoch wird der Mann weiter als cooler Crooner verehrt. Gestern hat Gorkow in der SZ das Feuilleton mit einer Jubelbesprechung der Neuen aufgemacht (!). Mir ist beim Wiederhören der „Lady’s Bridge” schon vorab die Lust vergangen. Dabei schreibt Gorkow selbst, „Truelove’s Gutter” habe Easy Listening-Qualitäten. Sie sehen, was sie sehen wollen.

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„Weniger, aber besser.“ D. Rams