Re: Musikalisches Tagebuch

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sokrates
Bound By Beauty

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IrrlichtWie hörst du sie denn Kai ?
Wie viele bei fetten ***** und unter den Besten Alben aller Zeiten ?

Eine Reihe meiner Freunde und ich finden, dass Radiohead zwar viel schöpferische Phantasie und Kraft haben, vor lauter Klangbilder- und Effektbasteln aber gelegentlich das Songschreiben vergessen. Ob sie es nicht besser können oder wollen, sei mal dahingestellt. (Die bösen Zungen unterstellen das Erstere.) Sicher ist, dass auf „OK Computer” stellenweise gezeigt wird, dass sie könnten, wenn sie wollten. So ein Riff wie das von „Paranoid Android” kann Dich bis in den Schlaf verfolgen, Songs oder auch Tracks von dem Kaliber finde ich aber nicht durchgehend.

Dazu ist mir persönlich Thom Yorke zu neurotisch. Nicht, dass ich breitbeinige Poser brauche, aber er übertreibt mit seiner Versponnenheit. Dass „OKC” anno 97 die Musikwelt im Sturm nahm, interessiert mich bei all dem genauso wenig wie bei „Horses” – das ändert an der Machart und Wahrnehmung der Musik nichts, und ist nicht zuletzt auf mediale Verdichtung zurückzuführen: Wenn die maßgeblichen Meinungsmacher eine Platte erstmal zum epochalen Meisterwerk auserkoren haben, gehen die Lobpreisungen wie eine Lawine zu Tal. Von ihrer Kraft wird jeder kritische Ton im Keim erstickt. Vgl. auch hier „Horses”.

All things considered: ****

Onkel TomVon denen kenne ich nur „Sweet Thing“. Lohnen sich ganze CD´s?

Man spricht ja derzeit gern vom „Über-Song”. Das ist „Sweet Thing” mit Blick auf das „Same Sky”-Album. Es gibt aber noch zwei, drei andere Stücke, die dies Niveau erreichen, und es gibt keinen Ausfall auf dem Album. Die stimmliche Präsenz der Dame, die sich Horse nennt, packt mich auch heute noch. Problematischer sind die Arrangements, die in Sound und Machart inzwischen etwas stauben – die späten Achtziger grüßen. Es käme also drauf an, wie empfindlich Du da bist. Nicht, dass es käsig klingt, aber heute würde man die Songs sicher anders arrangieren und aufnehmen: ****.

„God’s Home Movie” (93) ist von ähnlicher Machart und im Ergebnis nur geringfügig schwächer (***1/2). Warum Horse und ihre Band danach jahrelang von der Bildfläche verschwanden, kann ich mir nur damit erklären, dass mit ihrer Art von elegant-emotionalem Pop-Soul zu schmuddeligen Grunge-Zeiten kein Blumentopf zu gewinnen war – an der musikalischen Qualität hat es sicher nicht gelegen.

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„Weniger, aber besser.“ D. Rams