Startseite › Foren › Fave Raves: Die definitiven Listen › My Playlist › Musikalisches Tagebuch › Re: Musikalisches Tagebuch
nail75Zu Recht!
![]()
Und wie findest Du „Horses“?
Lieber Nail, das finde ich nicht.
Ich höre keinen zeitgeschichtlichen Kontext und keine historische Bedeutung, davon weiß ich nur – und beeinflusst u.U. meine Wahrnehmung. Wenn man das Album aus diesem Wissen löst und sich auf seine eigentlichen Bestandteile aus Worten und Tönen konzentriert, höre ich eine mehr als 30 Jahre alte Aufnahme, die alles andere als makellos ist.
Patti Smith hat eine Stimme, die nicht schön ist; ich persönlich würde mich damit nicht auf die Bühne trauen – aber das soll hier (vgl. unsere Dylan-Debatte) nicht Thema sein. Wenn wir uns das „Horses“-Konzept und seine Umsetzung genauer anschauen, stellen wir fest, dass wir es zum überwiegenden Teil („Kimberley“, „Birdland“, „Land“) mit langen spoken word perfomances mit zum Teil wirr-bizarren Texten zu tun haben, denen es an Struktur und Form fehlt. Die – nicht brillante, aber an sich brauchbare – Band wird zu Statisten degradiert, die dazu eine Art musikalische Endlosschleife abliefern darf. Der Gesangs-, oder richtiger: Sprachvortrag ist nervig bis nölig, bisweilen gar penetrant. Das Beste daran ist noch, dass die Band es versteht, ihr zu folgen.
Spätere Alben der Frühphase wie „Easter” oder „Wave“ sind deswegen stärker zu bewerten: Auf ihnen wird Musik gemacht. Die Band hat eine stärkere Stellung und sich von Pattis Dominanz emanzipiert – nicht ohne Grund firmiert das Projekt jetzt unter Patti Smith Group. Von herausragenden Songs wie „Dancing Barefoot“, „Till Victory“, „Rock’n’Roll Nigger“ oder gar „Because the Night“ fehlt auf „Horses“ noch jede Spur.
Was ich an Positivem höre, ist eine gewisse Roheit und Intensität, die im Studio eingefangen wurde. Das Produkt hat etwas Eigenes und Markantes. In Patti Smith zeigt sich eine (ausdrucks-)starke künstlerische Persönlichkeit, die aber als Musikerin noch dazulernen muss.
Alles in allem ein durchwachsener Auftakt: Horses ***1/2, Easter ****1/2, Wave ****
P.S.: Von dem Drogenwrack, dass einige Jahre später orientierungslos über die Bühne des Rockpalasts irrte, alle Einsätze versemmelte und verwirrt ins Mikrofon lallte, habe ich jetzt noch gar nicht gesprochen. :wave:
--
„Weniger, aber besser.“ D. Rams