Re: Badly Drawn Boy – One plus one is one

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dominick-birdsey
Birdcore

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Einer für alle
Keiner will derzeit mehr lachen. Nicht mal ein Grinsen kann sich noch einer abringen. Wir leben schließlich in schweren Zeiten. Zeiten, die für verlorene Jobs, beschnittene Renten, Terrorismus hier und Krieg dort drüben stehen. Uns allen geht es schlecht. Und keiner sagt: „Das wird schon wieder.“ Weil es keiner glaubt. Außer einem. Außer Damon Gough. Familienvater und Goldfischzüchter, Mitte dreißig, dicklich und putzig. Er ist der letzte hier, der noch „forever“ auf „together“ reimt und es auch so meint. Wir nennen ihn Badly Drawn Boy, er spricht das Wort zum Sonntag. Und er schenkt uns ein Lachen.

„As the past becomes the future / It gets clearer that it still boils down / To love.“ Manche Leute sagen ja, der Badly Drawn Boy ist gar kein richtiger Mensch, sondern ein riesiges Herz, dem jemand eine Wollmütze aufgesetzt hat. Und natürlich haben diese Menschen recht. Kein Kerl weit und breit, der die Liebe mit größeren Kellen ausschenkt. Niemand in Sicht, der sich die Hände ähnlich oft an hängenden Schultern wund klopft. Und jetzt auch noch: Keiner mehr da, der seinen Songs das Wasser reichen kann. „One plus one is one“ heißt die neue Platte. Und sie ist ein Wunder. Ein Wunder der Menschlichkeit.

Damon Gough scheut sich nicht, der dritte Musiker nach Edward Simoni und Enya zu werden, der allen Ernstes heutzutage noch auf Panflöten rumpustet. Mit himmelhochjauchzenden Kinderchören waren auch nur Pink Floyd und Michael Jackson schneller. Streicher und Bläser arrangiert er mittlerweile wie Sir George Martin früher. Und auch sonst ist dem kleinen aus Manchester diesmal jedes Mittel recht, das seinen Songs die Sporen gibt. Und was für welche er da erst geschrieben hat! Gleich vorneweg der Titeltrack mit seinen Klavieren und Geigen, der jedem vernünftigen Menschen das Lachen für die kommenden 55 Minuten im Gesicht festtackern müßte. Vorwärtspreschender Gitarrenrock wie „Summertime in wintertime“. Und Balladen, da möchte man sich vor ihm hinwerfen, so schön sind die.

Daß Gough mit „One plus one is one“ dabei zurückgeht zum spinnerten Beinahe-Folk seines Debüts, ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Die ganz dicken Vegas-Bläser und Big-Band-Gastrollen von „Have you fed the fish?“ sind zwar tatsächlich Vergangenheit. Aber der Typ pinselt sich eben immer noch viel zu gern über den eigenen Bauch, um die Bonus-Instrumente im Schrank zu lassen. „Year of the rat“ macht den Rolf Zukowski zur singenden Kinderschar. „This is that new song“ haut sich am Cello die Ellbogen auf. Und wenn die Platte mit „Holy grail“ ihr riesiges „Mann-am-Klavier“-Ende nimmt, schafft der Badly Drawn Boy etwas, daß ihm bestimmt fast keiner zugetraut hätte. Er heilt die Welt. Ein kleines bißchen.

(Daniel Gerhardt)

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