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Um mal nach Längerem diesen Thread fortzuführen, ein Gedicht von Richard Huelsenbeck.
Huelsenbeck war 1916 Mitbegründer des berühmten Zürcher Cabaret Voltaire und damit neben u.a. Hugo Ball, Hans Arp und Tristan Tzara eine der wichtigsten Figuren des Dadaismus‘. Huga Ball sprach von ihm als den „Dada-Trommler“, denn Huelsenbeck plädierte stets für die Verstärkung des Rhythmus und war fasziniert vom sog. „Negerrhythmus“, der seine Gedichtsvorträge meist begleitete. Und viele der wenigen Gedichte, die ich von ihm kenne, begeistern mich auch gerade durch ihren Rhythmus. Man darf sie natürlich nicht lautlos lesen, man muss sie schon hören, man muss sie sich selbst ein wenig vortragen, denn zum Vortragen wurden sie konzipiert. So z.B. das wunderbare „Ebene“. Da das aber etwas zu lang ist um es an dieser Stelle zu zitieren (ist mir auch zu viel es abzutippen), folgt das Gedicht „Ende der Welt“ von Huelsenbeck. Dieses ist zwar weniger „mitreißend“, aber ich mag es auch sehr in seinem perspektivlosem Bilder-Chaos.
Ende der Welt
Soweit ist es nun tatsächlich mit dieser Welt gekommen
Auf den Telegraphenstangen sitzen die Kühe und spielen Schach
So melancholisch singt der Kakadu unter den Röcken der spanischen
Tänzerin wie ein Stabstrompeter und die Kanonen jammern
den ganzen Tag
Das ist die Landschaft in Lila von der Herr Mayer sprach als er das
Auge verlor
Nur mit der Feuerwehr ist die Nachtmahr aus dem Salon zu vertreiben
aber alle Schläuche sind entzwei
Ja ja Sonja da sehen Sie die Zelluloidpuppe als Wechselbalg an
und schreien: God save the king
Der ganze Monistenbund ist auf dem Dampfer „Meyerbeer“ versammelt
doch nur der Steuermann hat eine Ahnung vom hohen C
Ich ziehe den anatomischen Atlas aus meiner Zehe
ein ernsthaftes Studium beginnt
Habt ihr die Fische gesehen die im Cutaway vor der Opera stehen
schon zween Nächte und zween Tage?
Ach Ach Ihr großen Teufel – ach ach Ihr Imker und Platzkommandanten
Wille wau wau wau Wille wo wo wo wer weiß heute nicht was unser
Vater Homer gedichtet hat
Ich halte den Krieg und den Frieden in meiner Toga aber ich
entscheide mich für den Cherry-Brandy flip
Heute weiß keiner ob er morgen gewesen ist
Mit dem Sargdeckel schlägt man den Takt dazu
Wenn doch nur einer den Mut hätte der Trambahn die Schwanzfedern
auszureißen es ist eine große Zeit
Die Zoologieprofessoren sammeln sich im Wiesengrund
Sie wehren den Regenbogen mit den Handtellern ab
Der große Magier legt die Tomaten auf seine Stirn
Füllest wieder Busch und Schloß
Pfeift der Rehbock hüpft das Roß
(Wer sollte da nicht blödsinnig werden)
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