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Der Gedichtband „Morgue“ war für das Jahr 1912 sicherlich ein Schock. Man denke nur an die heute noch abstoßende Widerlichkeit von „Mann und Frau gehn durch die Krebsbaracke“ (nichtsdestotrotz halte ich auch dieses Gedicht für gut) und man versteht warum.
Der Mensch wird in diesen Gedichten ausschließlich auf seine natürliche Körperlichkeit beschränkt und gnadenlos entstilisiert. Besonders verstörend wirkt dies im folgenden Gedicht – wahrscheinlich das mir liebste, von denen, die ich von dem Dichter kenne – in Verbindung mit der emotionalen und liebevollen lyrischen Behandlung, die hingegen der titelgebenden Blume zu kommt.
Kleine Aster
von Gottfried Benn
Ein ersoffener Bierfahrer wurde auf den Tisch gestemmt.
Irgendeiner hatte ihm eine dunkelhelllila Aster
zwischen die Zähne geklemmt.
Als ich von der Brust aus
unter der Haut
mit einem langen Messer
Zunge und Gaumen herausschnitt,
muss ich sie angestoßen haben, denn sie glitt
in das nebenliegende Gehirn.
Ich packte sie ihm in die Brusthöhle
zwischen die Holzwolle,
als man zunähte.
Trinke dich satt in deiner Vase!
Ruhe sanft,
kleine Aster!
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