Re: Charles Mingus

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irrlicht
Nihil

Registriert seit: 08.07.2007

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gypsy tail wind[…]vokales „Antreiben“ gibt es im älteren öfter mal zu hören, ohne dass ich jetzt allerdings gleich Beispiele aufzählen könnte. Das ist eher etwas, denke ich, das der Bebop und der Cool dem Jazz ausgetrieben haben. Lebenfreude, wie sie zum Beispiel in Clark Terry Musik zum Vorschein kommt, war damals – und ist heute noch – vielen Jazzhörern suspekt, dünkt mich, erst recht wenn sie ungebrochen daherkommt.

Gibt es dafür einen Grund?

gypsy tail windZu Deinem Prog-Vergleich kann ich übrigens nicht wirklich etwas sagen, da ich Prog nur sehr am Rande kenne … aber Prog ist ohne Jazz-Rock (und ergo ohne Jazz) soweit ich es verstehe sowieso undenkbar. Allerdings glaube ich doch eher, dass Mingus‘ Interesse eher in Richtung „ernster“ Musik ging – auch das eine Parallele zu Duke Ellington, der schon in der 78er-Ära mehrteilige Stücke schrieb und sich immer wieder an Suiten versuchte (darunter auch Bearbeitungen Griegs und Tschaikowskis).

Ein Fakt, den wahrscheinlich viele Progheads nicht wirklich wahrhaben wollen, während die Musiker dieser Szene darum weit seltener einen Hehl machen und gemacht haben. Dass Jazz einen markanten Einfluss auf diese Szene hatte, lässt sich bis zu den Anfängen zurückverfolgen (King Crimson, Van der Graaf Generator, Gentle Giant, Magma, Mahavishnu Orchestra) und ist auch heute noch bemerkbar, wenn man sich etwa die jüngsten Arbeiten von Steven Wilson genauer anhört (der sich bekannterweise gleichermaßen von Pink Floyd, wie auch Miles Davis inspirieren ließ). Viele Musik aus diesem Sektor wäre ohne Jazz schlicht nicht möglich – und die Beste ist meist die, die zu den Anfängen zurückkehrt bzw. den Fantasy/Metal/Symphonic Schimmelkäse umschifft (wobei es auch dort glorreiche Ausnahmen gibt).

Dass Mingus sich auch erkennbar bei klassicher Musik bediente, finde ich übrigens ganz besonders spannend. Ich höre derzeit mit großer Begeisterung „Let my children hear music“ – auch wenn es mich verwundert, dass Mingus dieses für sein ultimatives Werk hielt, sind Momente wie das „Adagio“ tatsächlich von unheimlicher Schönheit. Nach deinen vielen Anmerkungen habe ich da noch einiges vor mir, gerade die Mosaic Box scheint ja ein ziemliches Must have zu sein.

P.S. Sorry, falls ich hier zu große Fässer aufmache.

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Hold on Magnolia to that great highway moon