Antwort auf: Umfrage: Die besten Tracks von Iggy Pop

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gipetto
Funk 'n' Punk

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Beiträge: 14,479

Vielen Dank für Deine tollen Einlassungen, @wahr! Hier aus der schnellen Hüfte ein paar Gedanken dazu:

wahr
Glam ist musikalisch nicht gut eingrenzbar, stimmt, wobei ein Charakteristikum schon ist, dass härtere, direktere Rock-Spielarten auf eine Lust auf Rollenspiel und Provokation treffen.

Okay! Wobei sich weite Felder des Rock ’n‘ Roll ja so definieren ließen.

Dass sich Iggy Pop von David Bowie produzieren und bei den Songs maßgeblich unterstützen ließ – einem DER Protagonisten des Glam Rock schlechthin, der mit Ziggy Stardust DIE Fantasiefigur des Glam überhaupt erfunden hat – sagt doch schon einiges aus.

Ja und nein. Die Produktion von Raw Power fiel natürlich mitten in die Ziggy Stardust-Phase. Die hatte Bowie aber ab 74/75 hinter sich gelassen. Schließlich holte Bowie Iggy erst wieder in der Thin White Duke-Phase an Bord, und als die Arbeit an neuem Material begann, hatte sich Bowie bereits sämtlicher alter egos entledigt. Von daher empfinde ich den Glam-Bowie als Einfluss auf die Berliner Phase im zeitlichen Kontext nicht ganz plausibel. Und mit der Entstehung von Kill City hatte Bowie 1975 ja nichts am Hut. Da höre ich insbesondere den Einfluss der verdrogten Stones zu Beginn der 70er heraus. (Wobei Jagger unter dem Aspekt des Spiels mit den Geschlechtergrenzen der Idee des Glam dann ja auch nicht wirklich fern war.)

Glam war mehr als „peinliche“ Klamotten. Glam ist mit Camp verwandt. Die Lust am Verwischen von Geschlechtergrenzen, dem Spiel mit sexuellen Ambivalenzen und Provokationen. Auch das nichts Ungewöhnliches im Hause Osterberg.

Hier bin ich voll bei Dir. Das Spiel mit den Geschlechterrollen war immer eine Paradedisziplin Iggys – insbesondere in seiner kaputten Zeit nach der Implosion der Stooges bis hin zum Zeitpunkt, als Bowie ihn einsammelte, gab es unzählige verrückte Anekdoten.

Marc Bolan ist der andere Glam-Star, auf den Iggy Pop Bezug nimmt. T. Rex arbeitete ebenfalls mit Tony Visconti zusammen, wie eben auch Pop bei The Idiot und Lust For Life. Der Streichersound von „Hot Love“, der etwas Laszives und Erotisches und gleichzeitig etwas Bedrohliches hat, wird auf „Nightclubbing“ ziemlich direkt aufgegriffen. Das höre ich als eindeutige Referenz. Und „Nightclubbing“ wird womöglich sogar den ersten Platz in der Umfrage belegen.
Dreckiger Rock und Glam sind keine Gegensätze. Bowie pflegte als Ziggy durchaus härter zu rocken, als er es vorher tat. Ziggy, Glamfantasiefigur Nummer 1, posierte, in Sichtnähe der Gosse, an rußigen Backsteinmauern, die sich von der Vorkriegsfassade der Berliner Hansa Studios, wo ja Iggys Berlin-Alben teilweise entstanden, nicht groß unterschieden. Die Zeiten gegenüber der Glanzzeit von Glam waren jedoch zur Entstehungszeit von The Idiot, 1976, kälter und ungemütlicher geworden. Der Glam hatte ausgeglimmt. Und man kann die Veränderung der Zeiten besonders dadurch gut demonstrieren (ob beabsichtigt oder nicht), wenn man das Alte nimmt (Glam) und es auf aktuelle Umstände überträgt (innere und äußere Krisen), aber so, dass das Alte noch zu erkennen ist. So verstehe ich auch Bowies Soundentwurf zu The Idiot: Der Bass, mit seiner trockenen, kalten Macht; der schwere, abgedunkelte Rock, dem buchstäblich die Höhen genommen sind; die Stumpf- und Verdrogtheit. The Idiot klingt deswegen für mich viel interessanter als Lust For Life. Das lalalalaladumdumday von „Dum Dum Boys“ liegt mir näher als das Party-kompatible lalalalalalalala von „The Passenger“. Ich finde für The Idiot keinen besseren Begriff als Gothic Glam.

Fantastisch geschrieben und plausibel dargelegt (auch wenn „Gothic Glam“ mir noch immer Probleme bereitet). Lieben Dank!

Zum Kill City Album, produziert von James Williamson, drübergesungen von Iggy Pop, der für ein freies Wochenende die Entzugsklinik verlässt und eine erstaunlich taffe Gesangsleistung abliefert: Ich liebe auf Kill City das extra-extrovertierte Saxophon von John ‚The Rookie‘ Harden. Zucker und Pfeffer in einem. Nicht nur ein Hauch von hedonistischer Glam-Attitüde. James Williamson war für Iggy Pop ein bisschen das, was Mick Ronson für Bowie während seiner Ziggy-Glam-Phase war: Ein Katalysator und Formgeber von Ideen. Aber vielleicht bin ich auch der Einzige, der Glam-Elemente in das Album hineininterpretiert.

Zu Kill City hatte ich mich oben schon geäußert, aber auch hier leitest Du Dein Empfinden schlüssig her. Da möchte ich wenig entgegensetzen. Danke Dir!

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"Really good music isn't just to be heard, you know. It's almost like a hallucination." (Iggy Pop)