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Roy Haynes / Phineas Newborn / Paul Chambers – We Three | Mein heimlicher Piano-Trio-Favorit aus Haynes‘ Diskographie ist ja das spätere Album mit Richard Wyands – aber das ist natürlich auch ein tolles Album. Newborn hat einen fetten Sound – irgendwie typisch Memphis, spielt ein zweihändiges Klavier, beherrscht alle Register … ist mir vielleicht auch darum nie so nah gekommen wie viele andere, obwohl ich seinen Touch inzwischen echt gerne mag. Haynes gibt dem ganzen eine helle, knackige Seite, während Chambers‘ Bass selten so dunkel klingt wie hier. Irgendwie muss ja der Sound mit dem Cover-Foto zusammen finden. Dass es mit „Reflection“ von Ray Bryant los geht und später noch dessen „Sneakin‘ Around“ folgt, passt bestens in mein heutiges Abendprogramm, das dann hiermit auch schliesst.
Vielleicht kann man hier auch ein paar Brücken zu älteren Piano-Stilen schlagen, etwa in den Solo-Passagen, die „Solitaire“ einrahmen, eine damals relativ junge Pop-Ballade: Newborn spielt rubato und ist manchmal gar nicht so weit von Cocktail-Panismen entfernt, kriegt aber meistens die Kurve, ausser dass er schon hie und da sehr dick aufträgt. Letzteres tut er auch im Abschluss seines funky „Sugar Ray“ (für Robinson) und in meinem Favorit hier, dem längsten Stück das Albums, „After Hours“. Nach dem funky zweiten Bryant-Stück endet das Album dann mit Tadd Dameron – noch etwas Bebop, was ja mit Haynes auch passt. Und klar ist das kein klassischer Bebop und völlig anders, als z.B. Barry Harris das gespielt hätte, Haynes gibt dem ganzen eine total gegenwärtige Nervosität, während Newborn und Chambers auf eine Art geerdet sind, wie sie in der Bebop-Ära noch nicht denkbar gewesen wäre. Der Drummer war so eigenwillig und einzigartig, dass man zu gern vergisst, dass er zu den Grössen des Bop zählt (1925 geboren, 1947-49 mit Lester Young, 1949-52 mit Charlie Parker, danach von 1953 bis ins Jahr dieses Albums mit Sarah Vaughan).
Ira Gitler schreibt fürs 2007er CD-Reissue (RVG Remasters von Concord) eine lustige Story nieder: für seine Liner Notes für die Miles Davis-LP „Collector’s Items“ habe er Tommy Flanagan, einen Neuankömmling aus Detroit, ebenso wie Ray Bryant, Barry Harris und Mal Waldron als Beweis dafür aufgeführt, dass „simplicity, taste and direct emotion are much preferred to filigrees, extraneous matter and the keyboard extravagances of technique displays. If the latter group of characteristics comes with ‚two-handed‘ pianists then I’ll take the one-handed pianists and may Phineas Newborn take the hindermost.“ – So das Zitat aus den alten Liner Notes. 2007 ergänzt er nun: „I think I mean ‚hindmost‘ but, in any case, it prompted an angry phone call from Charlie Mingus. If he wasn’t yet universally recognized as Charles Mingus, he was well-known for his temper and impulsive ‚Open Letters‘ to Downbeat. At the time I was living with my parents and had just sat down to dinner when the phone in the foyer, next to the dining room, rang. When I answered, it was Mingus’s voice I heard. ‚Don’t write my name no more, baby,‘ he rapid-fired, making the words one continuous, seamless sound. ‚Are you from the West Coast? No, you’re from the East Coast. I’m from the West Coast'“ – Was Mingus damit sagen wollte war, dass er mit Newborn in Kalifornien gespielt hatte und ihn viel besser kennen würde und „that I was off-base“ (Gitler, 2007). Eine Weile später schrieb Gitler Liner Notes für eine LP von Teddy Charles und lobte ein Bass-Solo von Mingus über „I Can’t Get Started“. Wenig später lief er ins Half Note, wo Mingus spielte – und ihm zurief: „Love y baby, now that you’re callin‘ my name.“ – Und zwei Jahre später habe er, Gitler, sich gefreut, für „We Three“ die Liner Notes schreiben zu dürfen und Gutes über Phineas Newborn zu schreiben. Dessen Name James Williams, der von Newborn beeinflusst ist, übrigens „FINE-ess“ ausspreche, so schreibt Gitler.
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