Antwort auf: Das Piano-Trio im Jazz

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gypsy-tail-wind
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The Ramsey Lewis Trio – Down to Earth (Music from the Soil) | Ich weiss nicht genau, wie Spiritual Jazz sich von Soul Jazz abgrenzt – und wie der von Hard Bop … aber ich denke, das hier wäre noch vor Horace Parlan ein Kandidat. Das ist noch nicht die lockere Party von „The ‚In‘ Crowd“ sondern ein dunkles, oft karges („Soul Mist“!), zugleich total durchkonzipiertes und sehr locker wirkendes Album. Wenn Eldee Young in „John Henry“ mit einem Country-Bass à la Jimmy Giuffre loslegt und Redd Holt dazu einen Schepper-Beat setzt, der nicht viel mehr als auf die Drums übertragene Handclaps sind und sich dann Lewis mit Riffs und Arpeggien dazugesellt … dann ist das schon was völlig eigenes. Von den Bassisten, die auch Cello spielten, hatten wir es ja schon – Young tat es später auch in diesem Trio oft, aber hier wohl wirklich nur Bass, auch wenn es da und dort fast schon wie ein Cello wirkt. „Greensleeves“ geht im ersten Moment recht konventionell los, doch dann „rockt“ das Trio im Wortsinn los, bleibt gleich wieder stehen, setzt neu an, Block-Akkorde, gestrichener Bass, ein Beckenwirbel (aber immer mit dreckigem Sound), die Becken imitieren einen Triangel … und dann sich verzahnende versetzte Dreier-Beats vom gezupften Bass, den kargen Drums (ein dumpfes Becken) und dem stotternden und dann rollenden Piano … Jamal ist da sicher ein Einfluss (und „Billy Boy“ eine Hommage – da spielt Lewis auch wirklich Jamal-mässig, bis er sich dann im Solo allmählich verabschiedet und eigene Wege geht – ganz wie Garland es bei Miles Davis tat, aber mehr im „Ahmad’s Blues“ als in „Billy Boy“, wie ich mich erinnere?), aber das geht weit darüber hinaus, setzt Dinge zusammen, die ich nicht verorten kann, aus der Kirche, aus dem Juke-Joint an der Kreuzung, wo der Blitz einschlug, aus dem Salon, wo früher vielleicht Louis Moreau Gottschalk auf seinen Touren Halt gemacht hat, und aus der Sonntagsschule der weissen Siedler – und einen seltsamen Onkel, der gerne neapolitanische Lieder schmetterte, gibt es auch noch („Come Back to Sorrento“ aka „Torna a Surriento“ von den De Curtis-Brüdern). Das mag ein einfaches, populäres Trio sein, das „play it to the people“ pflegt – aber verdammt, das ist beim Wiederhören gerade doch eine Offenbarung. Die setzt heute ziemlich sofort ein – bis ich mich gefasst habe, bin ich im dritten Stück, drum beschränkt sich der Zeilenkommentar gerade mal auf das Segment ab der Mitte von Seite 1 (A3-A5), aber das liesse sich natürlich erweitern.

Mein CD-Reissue, das oben abgebildete, enthält am Ende noch vier Alternate Takes als Bonus, aber die 32 Minuten der LP reichen aus, da steckt bei aller oberflächlichen Gefälligkeit so viel drin. Irgendwie klar, dass sowas nur in Chicago entstehen konnte (Ter-Mar Studios, 6. November und 4. Dezember 1958, Jack Tracy hat das für Argo produziert.

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