Antwort auf: Das Piano-Trio im Jazz

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Teddy Wilson – Piano Moods | Und so bin ich wieder bei Teddy Wilson – im Studio in in New York City mit Arvell Shaw und J.C. Heard am 29. Juni 1950 sowie mit Al McKibbon und Kansas Fields am 25. August 1950 – die eine spürbar druckvollere Begleitung bieten. Wie bei anderen dieser „Piano Moods“-Alben wurden die Stücke direkt aneinander montiert. Wilson scheint sie auch in der Reihenfolge gespielt zu haben, wie sie auf die Platte kommen würden. Es gab allerdings ein paar False Starts und in zwei Fällen („Just One of Those Things“ und „Fine and Dandy“) kriegen wir in der Mosaic-Box einen jeweils vor dem Master entstandenen Alternate Take. Einiges ging in einem einzigen Take über die Bühne, aber da und dort braucht es zwei, bei „Things“ ist der Master der fünfte, der Alternate der dritte – doch damit begann die Session, da ist wohl noch etwas Aufwärmen nötig.

Dick Katz war 1950 Schüler von Wilson: „Art Tatum notwithstanding, Teddy was the most popular pianist of the swing era and right into the bebop years. Almost every pianist was touched by him, and his influence can be heard in such later pianists as hank Jones, Tommy Flanagan and Al Haig. Even Monk – listen to his early Minton’s recordings. And of course, this writer gratefully acknowledges his salutary impact. Like many others, Wilson was originally inspired by both Fats Waller and Earl Hines; his early recordings to resemble Hines. But he soon developed his own style that also made history. Teddy revised the conventional stride left hand by outlining a well-placed series of both consecutive and ‚walking‘ tenths. Against this smooth flowing left hand, his right hand spun out stunning, metrically immaculate lyrical melodies in single notes or feather-light octaves, with a pearly touch. Whereas Earl Hines was a daring musical tightrope walker, Wilson purred along like a finely tuned pianistic Rolls Royce, imparting a sense of balance and security. His patterns overall had a Mozartean symmetry unheard of when he appeared on the national scene.“

Hier ist er in Form und hat auch etwas zu zeigen. Die letzten Jahre hat er sein Spiel verfeinert und ausgestaltet, er war als Leader erfolgreich und meistens tatsächlich im p/b/d-Trio-Format unterwegs. Jede Performance hier ist ein kleines Juwel – die meisten eher zwei als drei Minuten lang, das kürzeste der Stücke, „Runnin‘ Wild“, gerade 1:30 Minuten. Doch jede dieser Miniaturen, die wie gesagt so konzipiert sind, dass sie nahtlos ineinander über fliessen, ist fertig ausgestaltet, stimmig. Und da ist Wilsons mitreissender Swing, sein perfektes Timing. Sieben Stücke sind auf der ersten Seite zu hören (Shaw/Heard), nur vier etwas längere auf der zweiten (McKibbon/Fields) – und diese zweite Hälfte gefällt mir nochmal besser. Wie ich schon sagte, macht die Rhythmusgruppe mehr Druck, das gibt der Musik eine grössere Klarheit (im Closer „After You’ve Gone“ spielt Fields dann ein auch ein kurzes, auf die Snare zentriertes Solo an den Besen) – und das Programm geht mit „Between the Devil and the Deep Blue Sea“ toll los, direkt gefolgt von einer wunderbaren Version von „Bess, You Is My Woman Now“. (Diese vier Stücke sind – in anderer Reihenfolge und eins vom Rest abgetrennt – alle auf dem Album „Mr. Wilson (The Fabulous Teddy Wilson at the Piano)“ zu finden, das ich gestern hörte, vom Juni ist nur ein Stück dabei, „I’ve Got the World in a String“ – und was ich gestern zu erwähnen vergass: „I Surrender, Dear“ von den Session von 1941 ist hier zum ersten Mal erschienen – eine Solo-Einspielung).

Bill Clifton – Piano Moods | Bill Clifton (1916-1963) aus Toronto ist der zweite Pianist im Mosaic-Set, der als Jazzmusiker keinen Namen hat. Er kam 1939 in die USA und wurde sofort von Paul Whiteman angestellt, spielte danach auch mit den Bands von Benny Goodman, Woody Herman und Ray Noble, arbeitete auch länger in Radiostudios, und bei CBS begleitete er allerlei Sänger*innen. Ein Pianist, der alles konnte – und der sich bei den Sessions hier, die am 7. und 8. August 1950 in New York mit Al Ham (b) und Terry Snyder (d) entstanden, als hervorragender Jazzmusiker präsentiert. Offensichtlich hörte er auch den aktuellen Jazz der Zeit, denn ss gibt flatted fifths und andere für den Bebop typische Dinge zu hören. Er beherrscht auch das Spiel mit Block-Akkorden hervorragend – und lässt das Rubato-Spiel beiseite, das die anderen Cocktail/Studio-Pianisten im Set (Buddy Weed, Stan Freeman, Max Miller) pflegen, bevorzugt durchgehaltene Tempi. Clifton kann auch Groove (im vierminütigen „Love-Forty Blues“ im langsamen Tempo) und schafft tatsächlich eine ganze Reihe von „Moods“ – vermutlich ist er derjenige, der den Namen der Album-Reihe bisher am ehesten ernstgenommen hat. Wirklich los legt er in „Gypsy in My Soul“, dem kurzen Closer des Albums. Die Begleiter nehmen eine recht passive Rolle in, werden aber da und dort, z.B. in „Let’s Fall in Love“ (wo man Clifton mitsingen hört), aktiv in die Arrangements eingebunden. Die Sessions der „Piano Moods“-Reihe sind oft auch vom Repertoire her interessant, hier gibt es z.B. eine swingende Version von „Down By the River“, einem Rodgers/Hart-Song, von dem ich nicht sicher bin, ihn von anderswo zu kennen.

Ein interessantes Detail: „Bill Clifton reportedly is an early influence on Bill Evans. This session shows why“ (Dick Katz, Liner Notes der Mosaic-Box).

Eddie Heywood – Piano Moods | Auch Eddie Heywood (1915-1989) hat sich im Grenzgebiet von Jazz und Pop bewegt, ist aber in Jazzkreisen als Pianist von Billie Holiday und durch Aufnahmen mit Coleman Hawkins einigermassen bekannt. 1944 landete mir seiner eigenen Gruppe und „Begin the Beguine“ einen Hit und die Band hatte drei erfolgreiche Jahre, bis er 1947 eine halbseitige Lähmung erlitt und das Klavierspiel neu erlernen musste. 1956 landete er mit „Canadian Sunset“ (ich hörte das Stück einst zum ersten Mal in Ellery Eskelins Hommage an Gene Ammons) einen Hit, der ihn endgültig aus dem Jazz in den Pop spedierte … 1966 kehrte die Lähmung zurück, zwang ihn, sich aufs Komponieren und Arrangieren zu konzentrieren, doch in den Siebzigern kehrte er erneut zurück, spielte bis Mitte der Achtziger, als ihn gesundheitliche Probleme (Alzheimer, Parkinson) zum Rückzug zwangen.

Heywood hat einen konservativen aber wiedererkennbaren Stil geprägt, rhythmisch perkussiv, oft mit Triolen und mit wiederholten Figuren in der linken Hand, mit einem eigenen Spiel mit Oktaven („rolling them tho make triplets and rolling chords the same way“, wie Katz es beschreibt). Für seinen Hit „Begin the Beguine“ lieh er sich z.B. eine Bassfigur aus der Version von Art Tatum – dessen Einspielung wiederum kein Hit war. Der Opener der Platte, die am 30. August und 1. September 1950 mit Frank Carroll (b) und Terry Snyder (d) in New York entstand, „Without a Song“, setzt den Ton. Eine Bass-Gegenlinie und ein weiches, reiches, lyrisches Piano. Low-Key ist das, „Piano Moods“ eben einmal mehr, auch im balladesken „St. Louis Blues“ (toll!) oder „All the Things You Are“ (etwas bieder – ich kann das nicht genau festmachen, aber das klingt so super brav, dass ich vermute, Heywood spielt einfach die originalen Changes, so weit es die denn gibt, bzw. macht halt harmonisch nichts von dem, was modernere Pianisten mit dem Stück anstellten). In „The Birth of the Blues“ kriegen wir etwas von den Jazz-Chops zu hören, auch „those triplet octaves“ (Katz):

(Foto: Heywood im Three Deuces, c. 1946, William P. Gottlieb, via Wikipedia)

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