Antwort auf: Das Piano-Trio im Jazz

#12565699  | PERMALINK

gypsy-tail-wind
Moderator
Biomasse

Registriert seit: 25.01.2010

Beiträge: 69,788

Joe Bushkin – Piano Moods | Bushkin wurde von Willie „The Lion“ Smith gecoacht. Er spielte mit der Band von Tommy Dorsey, wo er sich als Solist und auch als Ensemble-Pianist einen Namen machen konnte. Sein Spiel ist auf diesen Sessions etwas überladen, als wolle er seine exzellente Technik ständig präsentieren – blumiger als er ihn je gehört habe, kommentiert Katz, der Bushkin schätzt, aber selbst einen viel sparsameren Stil pflegte. Er spielt aber echt hervorragend und hat ein paar eigenwillige Ideen, so der Boogie in „Here in My Arms“. Und die Version von Gershwins „I’ve Got a Crush On You“ ist wirklich hervorragend. Mit dabei an den Sessions vom 26. und 27. Juli 1950 waren Sid Weiss (b) und Morey Feld (d) … und wir haben im Umgang mit der Rhythmusgruppe mal wieder direkt das Beispiel, dass der „Fatha“ moderner ist als der Sohn, denn auch Bushkin zählt selbstverständlich zu den direkt von Hines beeinflussten Pianisten, legte unter Anleitung von Willie „The Lion“ Smith aber andere Schwerpunkte als die meisten, weniger beim Stride, mehr beim Single-Note-Spiel mit der Linken, und fügte Verzierungen dazu, von denen es hier oft etwa zu viele gibt, da bin ich mit Katz einig (ich schätze Bushkin v.a. wegen der grossartigen Session von Lee Wiley mit Bunny Berigan (1940, auch schon mit Sid Weiss am Bass sowie George Wettling am Schlagzeug).

Ralph Sutton – Piano Moods  & Plays the Music of Fats Waller | Dass Stride Piano längst aus der Mode gefallen sei, habe gute Gründe, meint Dick Katz: „It is fiendishly difficult to play well, and in this age of virtuoso bass players, many young pianists relate to the lower end of the keyboard like being in a strange foreign land.“ – Der Text ist von 2000, mich würde ja schon wundernehmen, was Katz heute so denken würde, denn mich dünkt, es gibt ein paar Pianisten, die das wieder anders handhaben. Sutton war irgendwann ziemlich allein damit … 1936 fing er an, professionell zu spielen, war der intermission pianist im Eddie Condon’s und spielte später mehrheitlich im Westen der USA. Auf seinem „Piano Moods“-Album ist die ganze Breite seines Spektrums zu hören, von Stride bis Swing und melodischem Spiel. Mit Jack Lesberg und George Wettling, am 5. und 6. Juli 1950, spielt er u.a. den „Jitterbug Waltz“, „Ain’t Misbehavin'“ (auch das Non-Waller-Album enthält drei Waller-Stücke), Kid Orys „Muskrat Ramble“, ein Stück seines Mentors Willie „The Lion“ Smith („Keep Your Temper“) oder „Do You Know What It Means to Miss New Orleans“.

Das Waller-Album gehört nicht zur „Piano Moods“-Reihe, aber Mosaic hat es – wie die Jamal-Sessions – beigegeben, weil es einfach gut in die Box passt. Es ist am 7. Februar 1951 mit Bob Casey und Buzzy Drootin entstanden und bietet Stücke wie „Keepin‘ Out of Mischief Now“ oder den „Viper’s Drag“. Sutton findet auf allen Waller-Stücken einen sehr freien und frischen Umgang mit dem Material, vielleicht gerade, weil er dieses ernst nimmt. Nach dem etwas blumigen Bushkin ist sein wohldosiertes Spiel eine ziemliche Offenbarung.

Die Rolle der Rhythmusgruppen ist bei solchen Aufnahmen – bei Bushkin wie bei Sutton – natürlich eine völlig andere, untergeordnete, sie sind Begleiter, gewähren dem Pianisten aber Freiräume und rhythmische Freiheiten, die er als Solist eben nicht hätte – so spielen sie natürlich eine wichtige Rolle im fertigen Produkt, auch wenn ihre Beiträge musikalisch gesehen eher bescheiden ausfallen mögen. Die Bassisten walken ohne interessante Töne, die Drums swingen – wer hier jeweils stärker ist, mag ich gar nicht immer entscheiden, bei Sutton eher die Drums – zumindest wenn sie von Wettling gespielt werden, der ja schon super war. Der Bass – auch ein Rhythmusinstrument in der damaligen Sichtweise (nicht nur bei solchen Mainstream-Leuten) – hat ja auch einfach die Funktion, den Beat zu markieren oder vorzugeben, das Zentrum, um das herum das Klavier dann freier aufspielen kann, das auch die Drums da und dort ein wenig ausschmücken. Ich höre die Sachen jedenfalls gerade echt gerne, nach all den anderen Trios von früher heute.

Joe Sullivan – Fats Waller First Editions | Noch ein Album, das bestens in die Mosaic-Box passt, aber nicht aus der „Piano Moods“-Reihe kommt: Im Nachgang an das Waller-Album von Sutton meldete sich Bill Simon beim Produzenten all dieser Aufnahmen, George Avakian, mit vier nie aufgenommenen Stücken von Waller. Bei Mills Music fand Avakian noch vier und so entstand die Idee für das Album, das bei zwei Sessions entstanden ist. Am 23. Mai 1952 waren Bob Casey und George Wettling dabei, bei der zweiten Session am 29. September dann Walter Page und wieder Wettling. Sullivan vereint Elemente von Waller und Hines zu einem perkussiven, viel ruppigeren Stil als Sutton. Er spielte in Chicago ab den Zwanzigern mit all den Leuten, die später zu Grössen der Szene wurden: Bud Freeman, Pee Wee Russell, Gene Krupa usw., tourte mit Bing Crosby und spielte mit diversen eher kommerziellen Bands, bis er 1940 im Nick’s in New York als Leader debütierte. Der perkussive Approach kommt von Hines, die Stride-Elemente von Waller – und Sullivan denkt gar nicht dran, diesen zu kopieren, wenn er die acht kaum bekannten Stücke spielt (drei von der ersten, fünf von der zweiten Session, die Anordnung ist in dieser Mosaic-Box netterweise immer wie auf den einstigen LPs).

Die zwei folgenden Alben – wieder aus der „Piano Moods“-Reihe und wieder vom Juli 1950 stammen von Jess Stacy und Buddy Weed, beide jeweils im Quartett mit g/b/d (George Van Eps, Morty Corb, Nick Fatool bzw. Danny Perri, Bob Haggard, Bunny Shawker). Stacy ist natürlich bekannt, ein Hines-Schüler, der einen persönlichen, lyrischen Stil entwickelte (Beiderbecke war ein wichtiger Einfluss), der aber auch swingen konnte wie nur wenige. Er spielte lange mit Benny Goodman (mit dem auch Sullivan aufgenommen hat), war ein Schlüsselmitglied der wichtigen Band der Dreissigerjahre und eins seiner berühmtesten Solos ist das über „Sing, Sing, Sing“ vom legendären Konzert in der Carnegie Hall 1938. Weed ist in der Jazzwelt kaum bekannt, weil er da auch nicht wirklich dazugehörte sondern sein Leben hauptsächlich mit kommerzieller Studio-Arbeit bestritt. Er hat für sein Album elaborierte Arrangements erstellt, fast in jedem Stück gibt es mal einen Tonartenwechsel, einen Tempowechsel, Anklänge an klassische Musik und andere Elemente, die ihn eher aus der Jazztradition herausheben. Cocktail-Piano oder „butterfly playing“, wie die Club-Pianisten das flashy, nicht synkopische Spiel nannten, das auch Weed perfekt beherrschte. So gut, dass die fehlende Improvisation bei diesen Sessions oft vergessen geht. Auf zwei der Stücke, „Yesterdays“ und „Song of the Islands“, zeigt er sich dann aber als richtiger Jazzmusiker, mit hervorragenden Ergebnissen.

--

"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #168: Wadada & Friends - Neuheiten 2025 (Teil 2) - 9.12., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba