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Erroll Garner – Piano Moods | 1950 mit John Simmons und Shadow Wilson als unauffällige Begleiter im Hintergrund. Acht Stücke, auf denen Garner einem immer mal wieder ein breites Grinsen ins Gesicht zaubert mit seinen rhythmischen Spielchen und Verschleppungen, die er dann plötzlich aufholt, um mit einer Punktlandung am richtigen Ort zu enden. Die linke Hand spielt so gleichmässig wie Freddie Green seine Rhythmusgitarre – der Stil kommt von den Big Bands (Basie, Ellington und Lunceford nannte er im Interview für Art Taylors Buch) – während die Rechte notorisch hinterherhinkt, was durch die Reibung eine oft schier unerträgliche Spannung erzeugt, mit der Garner spielt, wenn er dann plötzliche Punktlandungen und big-band-typische Call and Response-Figuren einstreut. Wenn Garner Balladen hingegen spielt, ist das überschwänglich rhapsodisch, hier z.B. in „My Heart Stood Still“.
Als nächstes ist Ahmad Jamal mit zwei Sessions von 1951 und 1952 zu hören, je vier Stücke, aber alle im Trio mit Ray Crawford (g) und Eddie Calhoun (d), von denen sechs später auf der Epic-LP „The Piano Scene of Ahmad Jamal“ (1959) landeten. Off-Topic hier … „Surrey with the Fringe on Top“ ist das erste Stück der ersten Session – siehe dazu Claude Williamson zwei Seiten weiter hinten. Und vier der acht Stücke – „Will You Still Be Mine“, „Ahmad’s Blues“, „A Gal in Calico“ und „Billy Boy“ – sollte Miles Davis später aufnehmen (zwei davon liess er Red Garland als Trio-Features einspielen).

Earl Hines – Piano Moods | Die ersten dieser Sessions (auch die von Garner) erschienen noch als Alben mit vier 7″-Platten. Was Trios angeht, finde ich bei Hines 1944 eine erste Session im p/g/b-Format (mit Al Casey und Oscar Pettiford), von 1945 gibt es dann anscheinend eine Trio-Version von „My Monday Date“ von einem Konzert in der New Yorker Town Hall mit b/d (der Bassist ist unbekannt, George Wettling sitzt am Schlagzeug). Im Dezember 1947 nahm Hines eine Session mit g/b/d auf, von 1949 gibt es wieder ein Trio-Stück von einer TV-Show, „These Foolish Things“ mit Jack Lesberg und Wettling (ich kann beide Stücke auf YT nicht finden, da ist inzwischen so viel Schrott drauf, dass es bei sowas echt schwierig wird … zehnmal dieselbe Version als Teil unterschiedlicher „Compilations“ die irgendeine Software erstellt, damit wir schneller auf den Mars umziehen können). Am 17. Juli 1950 ist Hines dann mit Al McKibbon und J.C. Heard in New York im Studio, um seine acht Stücke für „Piano Moods“ aufzunehmen.
Dick Katz erklärt in seinem Text im Booklet der Mosaic-Box, dass Hines im Hinblick auf seine Vorgehensweise einzigartig war: „Most pianists in a solo or trio context use worked-out arrangements of the material they play. Reharmonizations, rhythmic schemes and overall structure usually have been thought out ahead of time. Pianists as diverse as Art Tatum, Thelonious Monk and Bill Evans did a lot of the type of arranging which is sometimes called re-compisition. There are exceptions, of course, and the most outstanding one is Earl ‚Fatha‘ Hines. Unlike his disciples, Teddy Wilson and Nat Cole, to name only two, Hines never played a piece the same way twice. He always started from scratch, and let his fertile imagination lead him. He was a pure improviser, if there is such a thing.“
Dass Evans‘ Name schon fällt, ist auch kein Zufall, denn, so Katz: bis etwa zum Stil von Evans leiten sich alle Jazz-Piano-Stile von Hines‘ Errungenschaften ab, von seiner Ablösung vom Stride-Piano. „He liberated both hands from the ingrained pianistic conventions of the 1920s and ’30s. He was the first to play horn-like lines with his right hand while his left hand often responded like a drummer playing broken rhythms. The piano is defined as a percussion instrument, and that0s the way Hines played it. He was a terrifically exciting performer with a powerful beat.“
1950, als Hines seine Trio-Aufnahmen für Columbia machte, spielte er wieder mit Armstrong – von dem er die Idee für das „horn-like“ Spiel überhaupt her hatte. 1928 entstanden die bahnbrechenden gemeinsamen Aufnahmen. Danach leitete Hines eine der besten Swing-Bands, war wach genug, Leute wie Dizzy Gillespie, Charlie Parker, Dexter Gordon oder Art Blakey anzuheuern, als die neue Musik der Vierziger erst gerade Form anzunehmen begann. Und er heuerte mit Sarah Vaughan – Sängerin und zweite Pianistin seiner Band – eine der stilbildenden Jazzsängerinnen an. Nachdem er die Armstrong All Stars bald wieder verliess (mit Billy Kyle wurde ein direkt von Hines beeinflusster Pianist sein Nachfolger), begann eine weniger gute Zeit, die 1964 mit Comeback-Konzerten in New York endete, worauf für Hines nochmal eine lange Phase des Erfolges begann, die erst mit seinem Tod 1983 ein Ende fand.
„Rosetta“, „When I Dream of Your“ und „You Can Depend on Me“ sind die ersten drei Stücke der Aufnahmen von 1950 – alle mit Musik von Hines, zwei davon längst Standards. „Diane“ (Rapee-Pollack, für einen Stummfilm von 1927 als theme song geschrieben) wechselt nach einem Rumba-Intro in swingenden 4/4 – etwas, was einige Jahre später im Hard Bop sehr oft zu hören sein würde. „I Hadn’t Anyone Till You“ von Ray Noble nimmt Hines in sehr zügigem Tempo – und nutzt souverän die Anwesenheit der Rhythmusgruppe, um seine linke Hand zu befreien, statt regelmässiger Rhythmen lässt er viele Pausen, steuert mit der Linken kontrapunktische Kommentare zur rechten Hand bei. Hines verblüfft mich immer wieder – manches von ihm klingt so modern, wie Jazz (eben bis Bill Evans oder so) nur klingen konnte. Weniger als drei Stunden dauerte es, bis die acht Stücke aufgenommen waren – die meisten um die vier Minuten lang.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #168: Wadada & Friends - Neuheiten 2025 (Teil 2) - 9.12., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba