Antwort auf: Umfrage: Die besten Tracks von Iggy Pop

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wahr

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gipettoIch habe wirklich Schwierigkeiten, Iggy mit „Glam“ in Zusammenhang zu bringen. Raw Power der Stooges wird ob der peinlichen Kostüme, die insbesondere James Williamson in dieser Phase zwischenzeitlich trug, immer mal wieder in diese Schublade gesteckt. Aber Raw Power und auch Kill City waren eigentlich genau das Gegenteil – das war Rotz von der Straße bzw. gar aus der Gosse. Zu The Idiot passt das Attribut für mich eigentlich auch nicht. Aber vielleicht bin ich auch einfach falsch gewickelt, wad mein Verständnis von „Glam“ betrifft. Denn was ist „Glam“ eigentlich? Für mich war das bis dato vor allem ein peinlicher Kleidungsstil, musikalisch aber nicht wirklich zu definieren. Ähnlich wie „Grunge“, bei dem der gemeinsame Nenner ebenfalls ausschließlich in den Klamotten, aber ohne gemeinsame musikalische Wurzeln verortet war. Bitte um Aufklärung.

Ein paar ungeordnete Gedanken dazu:

Glam ist musikalisch nicht gut eingrenzbar, stimmt, wobei ein Charakteristikum schon ist, dass härtere, direktere Rock-Spielarten auf eine Lust auf Rollenspiel und Provokation treffen.

Dass sich Iggy Pop von David Bowie produzieren und bei den Songs maßgeblich unterstützen ließ – einem DER Protagonisten des Glam Rock schlechthin, der mit Ziggy Stardust DIE Fantasiefigur des Glam überhaupt erfunden hat – sagt doch schon einiges aus. Glam war mehr als „peinliche“ Klamotten. Glam ist mit Camp verwandt. Die Lust am Verwischen von Geschlechtergrenzen, dem Spiel mit sexuellen Ambivalenzen und Provokationen. Auch das nichts Ungewöhnliches im Hause Osterberg.

Marc Bolan ist der andere Glam-Star, auf den Iggy Pop Bezug nimmt. T. Rex arbeitete ebenfalls mit Tony Visconti zusammen, wie eben auch Pop bei The Idiot und Lust For Life. Der Streichersound von „Hot Love“, der etwas Laszives und Erotisches und gleichzeitig etwas Bedrohliches hat, wird auf „Nightclubbing“ ziemlich direkt aufgegriffen. Das höre ich als eindeutige Referenz. Und „Nightclubbing“ wird womöglich sogar den ersten Platz in der Umfrage belegen.

Dreckiger Rock und Glam sind keine Gegensätze. Bowie pflegte als Ziggy durchaus härter zu rocken, als er es vorher tat. Ziggy, Glamfantasiefigur Nummer 1, posierte, in Sichtnähe der Gosse, an rußigen Backsteinmauern, die sich von der Vorkriegsfassade der Berliner Hansa Studios, wo ja Iggys Berlin-Alben teilweise entstanden, nicht groß unterschieden. Die Zeiten gegenüber der Glanzzeit von Glam waren jedoch zur Entstehungszeit von The Idiot, 1976, kälter und ungemütlicher geworden. Der Glam hatte ausgeglimmt. Und man kann die Veränderung der Zeiten besonders dadurch gut demonstrieren (ob beabsichtigt oder nicht), wenn man das Alte nimmt (Glam) und es auf aktuelle Umstände überträgt (innere und äußere Krisen), aber so, dass das Alte noch zu erkennen ist. So verstehe ich auch Bowies Soundentwurf zu The Idiot: Der Bass, mit seiner trockenen, kalten Macht; der schwere, abgedunkelte Rock, dem buchstäblich die Höhen genommen sind; die Stumpf- und Verdrogtheit. The Idiot klingt deswegen für mich viel interessanter als Lust For Life. Das lalalalaladumdumday von „Dum Dum Boys“ liegt mir näher als das Party-kompatible lalalalalalalala von „The Passenger“. Ich finde für The Idiot keinen besseren Begriff als Gothic Glam.

Zum Kill City Album, produziert von James Williamson, drübergesungen von Iggy Pop, der für ein freies Wochenende die Entzugsklinik verlässt und eine erstaunlich taffe Gesangsleistung abliefert: Ich liebe auf Kill City das extra-extrovertierte Saxophon von John ‚The Rookie‘ Harden. Zucker und Pfeffer in einem. Nicht nur ein Hauch von hedonistischer Glam-Attitüde. James Williamson war für Iggy Pop ein bisschen das, was Mick Ronson für Bowie während seiner Ziggy-Glam-Phase war: Ein Katalysator und Formgeber von Ideen. Aber vielleicht bin ich auch der Einzige, der Glam-Elemente in das Album hineininterpretiert.

zuletzt geändert von wahr