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Norman Simmons Trio | Noch so ein Twofer aus Barcelona … und nochmal Chicago. Norman Simmons (1929-2021) gehört sicher zu den wichtigeren untern den Pianisten der Windy City, hatte viele hochkarätige Gigs, aber keine namhafte Leader-Karriere, obwohl eine ganz hübsche Diskographie zusammenkam – mit ein paar Trio-Alben drin. Er arbeitete oft mit Sänger*innen, darunter Carmen McCrae („Carmen McRae Sings Lover Man and Other Billie Holiday Classics“ von 1961, „Live at Sugar Hill San Francisco“, „Second to None“, „Haven’t We Met?“, „Live and Doin‘ It“, „Woman Talk – Live at the Village Gate“, „“Live“ & Wailing“, „Carmen McRae“, „Portrait of Carmen“, 1961-1967 sind die Aufnahmejahre, er begleitete sie fast zehn Jahre lang), Betty Carter („Finally!“, „Round Midnight“, „At the Village Vanguard“, 1969/70 aufgenommen), Dakota Staton („Dakota at Storyville“ – ein tolles Album von 1961 mit Yusef Lateef), Helen Humes, Teri Thornton, Ernestine Anderson, Carol Sloane, Chris Connor, Etta Jones oder Joe Williams, hat aber auch Alben mit Johnny Griffin („Studio Jazz Party“, 1960), Eddie „Lockjaw“/Johnny Griffin („Battle Stations“, 1961), und ist mit Red Rodney und Ira Sullivan auf „Modern Music from Chicago“ (1955) zu hören.
Als er im Oktober 1956 sein Debut-Album für Argo machte, waren Victor Sproles (auch auf den Alben mit Rodney, Griffin und Davis/Griffin dabei) und Vernell Fournier mit in den Universal Studios. Es gibt sechs Simmons-Originals und fünf Klassiker – nicht zuletzt „My Funny Valentine“ als langsame Rumba. Das bewegt sich in eher konventionellem Fahrwasser, aber die Drums sind prägnant (ich war ja noch nicht bei Jamal, das geht ja auch 1956 los), besonders in den Latin-Nummern, von denen es einige gibt. Fournier spielt gelingt auch mal das Kunststück, eine ganze Clave-Section zu verkörpern, während Simmons mit der linken typische Begleitfiguren spielt und mit der rechten dazu rifft und Linien meisselt, was dann durchaus auch an Jamal erinnert. Von der Hotel Lounge bis zum Mambo-Club in New York ist alles dabei – und trägt dabei irgendwie doch eine Handschrift. Ein Lieblingsstück ist „Love Is Eternal“, wieder mit Latin-Anleihen (Fournier spielt auch mehrmals eine Conga-Stimme quasi noch mit dazu) – und Changes, die so süffig sind, dass man echt zweimal gucken muss, ob das wirklich ein Simmons-Stück und keine Pop-Nummer ist (ich höre eine lockere Verwandtschaft zu „Night and Day“ und ich glaube zu noch einem Standards, auf den ich nicht komme). Eine kleine Entdeckung, möchte ich sagen – bloss kenne ich das Album schon eine Weile … leider nur von diesem unschönen Twofer, aber die Optionen sind da recht begrenzt.

The Richard Evans Trio – Richard’s Alamanac | Ist das zweite Album auf dem Twofer – wieder ein von einem Bassisten geleitetes Trio mit Jack Wilson (p) und Robert Barry (d), aufgenommen in den Ter-Mar Studios vom 21. bis 23. Juli 1959 und auch für Argo. Evans kam in Birmingham, Alabama zur Welt, war auch als Komponist, Arrangeur und Produzent tätig, im Grenzbereich von Rhythm & Blues und (Soul-)Jazz. 1955/56 hatte er mit Sun Ra gespielt, von dessen Band man auch Robert Barry kennen mag … und wir hatten ihn hier schon mit Dodo Marmarosa („Dodo’s Back“, 1961). Als Produzent und Arrangeur arbeitete er später u.a. mit Kenny Burrell, Ramsey Lewis, Marlena Shaw, Groove Holmes, Jack McDuff, Stan Getz, Woody Herman oder Dorothy Ashby, leitete zudem die Soulful Strings und begleitete Musiker wie James Moody, Eddie Harris, Jimmy McGriff, Shirley Scott oder Ahmad Jamal. Das Trio-Album ist ebenfalls sein Debut. Nach Anfängen in der Malerei (er gewann in der Highschool einen Wettbewerb und war 1953-55 in der Army als Zeichner tätig) spielt er 1956 acht Monate mit Lionel Hampton, inklusive Tournee nach Europa und Australien, dann drei Monate mit Maynard Ferguson und schliesslich landete er 1957 bei Dinah Washington. Kurz zurück in die Schule ans Junior College, doch bald wieder beim Jazz, Konzerte, Sessions, Begleit-Gigs mit Sängerinnen (darunter Dakota Staton), von November 1958 bis Mai 1959 dann mit dem eigenen Trio in der Pershing Lounge.
Und so ist es kein Wunder, wenn der Groove im Opener „Trees“ (ein tolles Stück von Joyce Kilmer/Oscar Rasbach aus dem Jahr 1922), einer der patentierten Jamal-Trio-Beats bietet – ein eingängiges Pattern, das sich über zwei Takte zieht und vermutlich von Vernell Fournier erfunden (oder aus der afro-cubanischen Musik in den Jazz übernommen) wurde. Viel mehr als Groove und knackige Piano-Linien gibt es in dem kurzen Stücken nicht. Latin-Beats und -Grooves sind auch hier wichtig, gleich im folgenden „Vera“ (dem einzigen Evans-Stück des Albums) gibt es einen schnellen Latin-Groove und Wilson zeigt seine Chops in schnellen Läufen und Arpeggien. Wilson liess sich 1958 in Chicago nieder, um mit Evans zu spielen, verschwand dann aber in die Army (wo er wohl weiter musizieren konnte). Barry, der die Latin-Beats trocken und fast ohne Becken (und ohne Schnarrsaite) spielt, kannte Evans schon seit der gemeinsamen Zeit an der DuSable Highschool und neben Ra hat er auch mit einem anderen wichtigen Musiker aus Chicago gespielt, Johnny Griffin. Auch „I’m Glad There Is You“ kriegt im Thema eine Latin-Behandlung – überhaupt wollte Evans hier „digestible, not involved“ Musik präsentieren: „They’re not for musicians only. This is music the people can dig, too.“ – Neben Wilsons „Consu“ (Vera und Consuela waren die Verlobten von Evans bzw. Wilson), einem Walzer mit Besen-Groove, gibt es noch ein aktuelles Stück , das gospelige „The Preacher“ von Horace Silver mit einem Arco-Solo vom Leader. Dazu kommen weitere Klassiker: „Crazy Rhythm“, „Bye, Bye Blackbird“, „Should I?“, „Jeepers Creepers“. Zwischen all den Grooves geht „Daybreak“ (Grofe/Adamson) einigermassen als Ballade durch. Der Leader spielt hier wirklich eine sehr gewichtigen Bass, bleibt fast immer in der Tiefe, während Wilson ein knackiges Klavier beiträgt, ohne die dichten, weichen Voicings von Simmons oder anderen, die auch ältere Pianisten verarbeiten. Barry bleibt auch eher leicht, obwohl er eine starke Präsenz hat. Das gibt eine schöne Balance, auch wenn das ganze vielleicht etwas leichtfüssig bleibt, manchmal fast etwas zu süffig – aber das war ja Evans‘ Plan und der geht auf. Dabei ist das Trio immer geschmackvoll unterwegs – und starke Bass-Soli, tighte Arrangements und die abwechslungsreichen Beats sorgen dafür, dass das nie langweilig wird.
Von diesen Chicago-Alben (zu denen ja auch noch die von Ahmad Jamal und die von Ramsey Lewis gehören, bei denen ich noch nicht war) ist das von Simmons bisher mein Highlight – es hat eine total schöne Stimmung und hat schon etwas mehr Substanz, auch weil es weniger aufs Publikum zu schielen scheint als die Musik Evans und teils auch die von Pate (und auch als „Dodo’s Back“, wo das auch ein Hintergedanke war: man wählte zugängliches Material, hielt die Stücke eher kurz … die Sessions mit Ammons – auch die Trio-Teile davon – und die für mich ganz neu entdeckte mit Bill Hardman, aber auch das Live-Material auf der „Pittsburgh, 1958“-CD, gefällt mir besser).

The Ronnell Bright Trio | Noch ein Pianist auch Chicago – oben bei Johnnie Pate schon dabei, aber hier in Paris zu Gast, wo er im Juni 1958 mit Richard Davis und dem Engländer Art Morgan ein Album für Polydor machen konnte. „Johnnie Pate’s Blues“ ist unter den Originals, vier weitere stammen vom Pianisten, darunter „Chasing Sarah“. Bright war mit Sarah Vaughan (bei der er als Nachfolger von Jimmy Jones nach dem Gig mit Pate landete) im Rahmen einer grossen State Department Tour in Europa. Unter anderem in Brüssel an der Weltausstellung, aber auch in Paris (Salle Pleyel), wo das Gepäck von Bright und Davis im Taxi blieb und sie Anzüge mieten mussten. Im Repertoire sind auch Ellington („Things Ain’t What They Used to Be“), Gillespie („The Champ“) und Nat Cole („Easy Listening“) vertreten – und das markiert vielleicht ganz gut das Feld, auf dem Bright unterwegs ist. Nach Jack Wilson ist das wieder ein Klavierspiel, das mehr aus älteren Stilen rezipiert, nicht zuletzt Bud Powell, aber sicherlich auch Jamal gehört hat, Silver, die crispy single note Linien, manchmal funky und manchmal mit leise zu hörenden Vokalisierungen (er singt oder summt in der Höhe mit).
Um Bright wurde es danach ruhiger. Er spielte neben Vaughan auch mit Lena Horne und Gloria Lynne, ging 1964 als musikalischer Leiter der Band von Nancy Wilson nach Hollywood, schrieb mit Johnny Mercer Songs, 1972 zwei Jahre mit Supersax (u.a. auf „Supersax Plays Bird“), in den 90ern dann Kirchenmusik in Denver mit seiner Frau, er nahm aber weiterhin gelegentlich auf bzw. spielte Jazz-Gigs, machte auch noch ein oder zwei weitere Platten als Leader.

Zwischen den Alben mit Pate und dem Trio aus Paris hatte Bright schon zwei andere Alben aufgenommen, „Bright’s Spot“ (Regent, mit Kenny Burrell und Leonard Gaskin, also im „alten“ p/g/b-Format) und „Bright Flight“ (Vanguard, 1957 – nicht „classic“ genug fürs kürzliche Mosaic-Set) mit Joe Benjamin und Bill Clark (die in Paris 1952 mit Art Simmons auch Aufnahmen mit Don Byas und Dizzy Gillespie gemacht hatten und nebenbei auch Trio-Session mit Bernard Peiffer – ein paar Seiten zurück schon Thema – und Arnold Ross machten). Art Simmons ist insofern von Belang, als sein Quartett-Album (Boîte à Musique, 1956, 10″) auf der Jazz in Paris-CD, von der ich Bright höre, „Piano aux Champs Elysées“, mit drauf ist. Und nur für alle Fälle: vom Bright-Album aus Paris gibt es ein Vinyl-Reissue von Sam Records.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #168: Wadada & Friends - Neuheiten 2025 (Teil 2) - 9.12., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba