Antwort auf: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

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motoerwolf

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Beiträge: 6,625

gypsy-tail-wind
Heute Nachmittag im Kino: Bugonia (EI/KR/US 2025) – ich mag Jesse Plemons … viel mehr kann zu dem Film irgendwie echt nicht sagen.

pfingstluemmelVielleicht, dass er das befriedigendste Ende bietet, das jemals über die Kinoleinwand flimmerte?

gypsy-tail-wind

Haha … ich fand den Film ja nicht schlecht, auch nicht super, ich krieg ihn irgendwie einfach nicht gegriffen.

Bugonia (Giorgos Lanthimos, 2025)

Inhalt: Michelle Fuller ist CEO eines großen Konzerns, zu dem auch das Biomedizinunternehmen Auxolith gehört. Sie steht jeden Tag um 4:30 Uhr für verschiedene Trainingseinheiten auf und kommt dann ins Büro. Ihre Mitarbeiter dürfen frühestens um 17:30 Uhr Feierabend machen. Ihr Unternehmen hat mit seinen experimentellen Opioid-Entzugsmedikamenten einigen Menschen Schaden zugefügt, so auch Teddys Mutter Sandy. Ein Imker macht das Unternehmen auch für das Bienensterben verantwortlich.

Teddy, der bei dem Biomedizin-Konzern als Paket-Packer arbeitet, misstraut den Mainstream-Medien, glaubt an eine Verschwörung der Elite und dass Michelle eine böse Außerirdische ist, die die Erde zerstören will. Gemeinsam mit seinem Cousin Don entführt der Verschwörungstheoretiker Michelle kurzerhand, rasiert ihr die Haare ab, damit sie keinen Kontakt mit ihresgleichen aufnehmen kann, sperrt sie in den Keller seines abgelegenen Hauses und foltert sie dort. Sein Ziel ist es, dass sich Michelles vermeintliche Spezies vor der nächsten Mondfinsternis von der Erde zurückzieht.

[Wikipedia]

Spoiler ahead: Bugonia ist ein ganz fantastischer Film geworden, und zwar im doppelten Sinne. Erstens ist er wirklich gut, und zweitens ist es ein Film, der eben nicht in der Realität verankert ist, sondern Elemente der Phantastik enthält. Spannend daran ist, dass der zweite Umstand dem Zuschauer erst ganz zum Schluss offenbar wird. Dadurch zwingt Lanthimos seinen Zuschauer zur Selbstreflektion. Denn bis dahin identifiziert sich der Zuschauer mit Michelle, der Unternehmerin. Sie ist den ganzen Film über die rationale Figur, die Vernünftige, diejenige, die die Verschwörungstheorien Teddys entlarvt. Selbst als sie zugibt, ein Alien zu sein, tut sie dies offenbar aus einem Kalkül heraus. Es ist kein Geständnis, es ist der Versuch einer hilflosen, gefangenen und gequälten Frau, ihren Entführern zu entkommen. Natürlich ist der Zuschauer in dieser Konstellation für Michelle, und natürlich lacht der Zuschauer über Teddy und Don und deren Irrsinn. Man fühlt sich überlegen, klar im Geiste und hat gefühlt nichts gemein mit Teddy und Don. Diese sind Gefangene ihrer Verschwörungstheorie, können aus dem Konstrukt nicht ausbrechen. Das liegt zum Teil an erlittenen Traumata, zum anderen aber auch in der intellektuellen Beschränktheit der beiden. Zum anderen hat man Mitleid mit den beiden, denn sie sind nicht nur Gefangene, sie haben sich ihr Gefängnis quasi selbst gewählt. Sie benötigen zum Erhalt einer geistigen Reststabilität die Verschwörungstheorie, die ihnen Halt, Orientierung und einen Sinn bietet. Als am Ende des Films die ganze Handlung auf den Kopf gestellt wird und der Zuschauer erkennen muss, dass Teddy die ganze Zeit Recht hatte, zieht uns das den Boden unter den Füßen weg. Wir erkennen, selbst ebenso Gefangen zu sein in unserer Wahrnehmung. Auch wir ordnen jede Beobachtung in unser bestehendes Modell von der Welt ein, machen sie passend zu dem, was wir für wahr und richtig halten. Wir benötigen unsere Rationalität mindestens ebenso, wie Teddy seine wirr erscheinenden Theorien.

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And all the pigeons adore me and peck at my feet Oh the fame, the fame, the fame