Antwort auf: Ich höre gerade … Jazz!

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gypsy-tail-wind
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Wollte mich hier nicht gar so rar machen, aber die letzten Tage war echt kaum zeit fürs Forum … jetzt bin ich allein unterwegs (zwischen Kunst, Plattenläden und Konzerten) und das ändert sich wieder :-)

Die Tage liefen u.a.:

Masabumi Kikuchi – Hanamichi. The Final Studio Recording Vol. II | Tatsächlich gerade so gut wie Teil 1. Schön, dass die Improvisationen mehr Raum kriegen (drei vs. eine im ersten Album glaub ich?) – und dazu u.a. eine ganz tolle Version von „Alone Together“

The Necks – Disquiet | Sieben Stunden Zugfahrt (von Basel nach Köln, sollten so 3:50 sein, ich hatte auch extra den direkten Zug gebucht, bloss gab es den dann halt nicht) reichen dafür … und auch wenn es mich im Moment noch überfordert in der schieren Menge und auch der Grösse der Trümmer und der Dichte der Musik, so ist das natürlich sehr toll. Die zwei Punkte mit den Trümmern und der Dichte betreffen v.a. „Ghost Net“ mit den geschichteten Gitarren, aber auch „Causeway“ – also quasi den Mittelteil, während die Eckteile mich sofort hatten, ganz besonders das „In a Silent Way“ Mock-Up, mit dem das Album öffnet – wie schön!

The Anchors – Black Soul | Danach brauchte ich auf den letzten Kilometern von Frankfurt nach Köln noch was anderes, einfacheres, und dieses (inzwischen nicht mehr jüngste, bzw. schon noch, „Sangoma“ von Malombo ist ja erst angekündigt – wird auch toll!) Matsuli-Reissue passte perfekt. Afro-Jazz-Rock aus der Alexandra Town Ship mit Zacks Nkosi am Sax, Peter Morake an den Drums und anderen.

Almon Memela – Funky Africa | Die Zeit war lang, die Alben kurz, es passte also noch eins bis der Zug über die Brücke zur grossen Bahnhofskapelle rüber ratterte … lief noch nicht oft, geht leicht runter, aber ist jetzt nicht die ganz grosse Entdeckung (das bleibt mein Fazit, gibt’s ja schon seit über drei Jahren wieder dank der as-shams-Reihe von We Are Busy Bodies).

Pharoah Sanders – The Complete Pharoah Sanders Theresa Recordings | Da bin ich gerade noch dran, die ersten beiden Alben liefen auf dem pünktlichen Zug von Köln nach Amsterdam, die drei folgenden dann auf dem drei Minuten zu früh in Paris eintreffenden EuroStar … erstmal klingt die Musik hier tatsächlich phantastisch (hatte @vorgarten ja bereits berichtet), das ist toll. Ich muss das aber dann auch zu Hause in Ruhe hören, Details nachgucken (die wechselnden Line-Ups bei den ersten zwei Alben z.B.) und so. Nichtsdestotrotz ist das so perfekte Zug-Musik wie The Necks und das allermeiste ist sozusagen neu für mich („Joruney to the One“ und „Shukuru“ hörte ich mit Sicherheit noch gar nie, bei „Heart Is a Melody“ bin ich nicht ganz sicher).

Am ersten Nachmittag in Paris musste ich dann gleich nochmal raus zum Laden von Sam Records, der nur Freitag und Samstag offen hat, aber unbedingt einen Besuch lohnt. Ich wollte noch die Art Blakey von 1965, nahm dann auch noch die Heath Brothers mit, und fand auch noch drei gebrauchte Platten, zwei davon für meinen Amsterdamer Gastgeber, der mir schon die „Rat Now … Paris ’70“ von Mal Waldron zur Seite gelegt hatte – sind also drei neue Sam-LPs da, die zuhause dann gehört werden wollen, eine Lücke habe ich da, hoffe die wird mal nachgepresst, die blaue von Jef Gilson, da hatte ich nicht aufgepasst und bisher nur die rote mal auftreiben können, was ein Reissue ist, im Gegensatz zu „Jef Gilson Big Band – Live a Gaveau – 1965“, der blauen).

Mal Waldron – Candy Girl | Zurück in der Wohnung brauchte ich dann was zum Runterkommen … und dachte an eine Platte, die ich auch im Laden (und auch schon in Läden in Amsterdam) gesehen hatte, ebenfalls von Mal Waldron … macht total Spass, so atypisch das für Waldron auch ist (also ich würd auch nicht sagen, dass man ihn hier tatsächlich erkennen könnte oder so).

Gloria Cheng – Root Progressions | Dieses Klavier-Solo-Album gehört eigentlich eher in die Klassik- bzw. Neue-Musik-Ecke, aber weil die Musik von Leuten stammt, die hier zuhause sind, passt das schon: Gloria Cheng spielt Stücke von Anthony Davis, Jon Jang, James Newton, Linda May Han Oh, Arturo O’Farrill und dem mir nicht bekannten Gernot Wolfgang – der einzige hier, der nicht auch (Jazz-)Performer zu sein scheint sondern einfach Komponist (aus Bad Gastein, AT, 1957 geboren, laut seiner Website derzeit in Santa Fe, NM, auf seiner Website hat er immerhin auch ein Zitat von Dave Brubeck über seine Musik). Das war ein Tipp aus dem Forum (von @atom oder von @vorgarten?), über den ich dankbar bin. Obwohl ich vom Origami-Label (gibt nur Digital und Pappe) schon ein paar Sachen gekauft habe, hätte ich das wohl übersehen.

Fieldwork – Thereupon | Gestern war ich dann länger in Paris unterwegs und hatte die zwei Pi-Neuheiten mit Steve Lehman auf den Ohren … bei diesem neuen Album von Fieldwork geht es mir irgendwie nicht unähnlich wie mit „Disquiet“: es überfordert mich nach wie vor, entwickelt aber einen phantastischen Sog – und ist druch die Kleinteiligkeit (die Tracks funktionieren zumindest zum Teil auch einzeln ganz gut) natürlich nicht so ein Trümmer.

Steve Lehman Trio + Mark Turner – The Music of Anthony Braxton | Zu dem Album haben meine liebsten Mit-Fori geschrieben, es sei spröde bzw. beigepflichtet … finde ich wirklich nicht, auch wenn ich weiss, wo das her kommt. Spätestens beim Closer, dem einzigen Nicht-Braxton-Stück („Trinkle, Tinkle“ von Monk), stimmt das dann aber beim besten Willen nicht mehr … und auch davor finde ich das durchaus handgreifliche, sehr lebendige Musik. Was mich beim Wiederhören auf Kopfhörern manchmal etwas verblüffte ist, wie nah Lehman hier am Widmungsträger unterwegs ist: Tongestaltung, Phrasierung, Linien … manchmal scheint er buchstäblich Braxton zu channeln.

Mulatu Astatke – Mulatu Plays Mulatu | In der Metro kann man hier echt viel Zeit verbringen … und da ich in der Banlieue bin, passt das dann auch zur wahrgenommenen Umgebung ganz gut (okay, falsches Herkunftsland und Fallstricke bei solchen Bemerkungen). Ich hatte hier nur mittlere Erwartungen und die werden bei weitem übertroffen. Das neue Album vom Vibraphonisten, Amateur-Pianisten und Mastermind aus Äthiopien ist wirklich gelungen. Es gibt neben der tollen Londoner Band (u.a. mit Byron Wallen, Alexander Hawkins, Neil Charles und John Edwards an Bässen, dem neuen Saxer James Arben und dem für den Gesamtsound zentralen Cell von Danny Keane) auch fünf Musiker*innen an traditionellen Instrumenten und das mischt sich alles wahnsinnig gut. Ein unerwartetes Highlight des Musikjahres.

Eva Novoa – Novoa / Gress / Gray Trio, Vol. 1 | Eine ganz neue Entdeckung, obwohl das erste Album schon vom März letzten des Jahres ist … Erkundungen des klassischen Piano-Trios mit einer Art kubistischem Touch, Stottergrooves, freien Elementen. Gefällt mir sehr gut.

Eva Novoa – Novoa / Gress / Gray Trio, Vol. 2 | Das neue Album war es, was mich auf das Trio erst aufmerksam werden liess, und das lief gerade, während ich den dritten Kaffee mit der französischen Presse trank – und denke, ich hab die Zubereitungsweise allmählich im Griff.

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #168: Wadada & Friends - Neuheiten 2025 (Teil 2) - 9.12., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba