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Sunny Murray – Sunshine | Nach dem heftigen Tripelalbum von Alan Silva und seiner grossen Band war neulich die Luft für Free Jazz erstmal wieder draussen … ich hatte hiermit noch einen Anlauf genommen, aber schnell gemerkt, dass das nicht mehr ging. Im mittleren Stück des kurzen Albums ist das Basistrio zu hören, neben dem Drummer auch Kenneth Terroade (ts) und Malachi Favors (b). Auf dem längsten Stück, das die ganze erste Seite kriegt (aber nur 13:44 dauert), kommen noch Lester Bowie (t), Archie Shepp (ts), Dave Burrell (p) und Alan Silva (b) dazu, auf dem dritten Stück dann Arthur Jones und Roscoe Mitchell (as) und wieder Burrell (p). „Flower Trane“ heisst das lange Stück und vielleicht will es den Beweis erbringen, dass für die Wucht von „Ascension“ gar nicht so viele Leute benötigt werden? Das ist jedenfalls ein krasses Stück, das aber – wie wir es neulich ja bei „Machine Gun“ davon hatten – eine Struktur hat: ein Riff und ein Bass-Lick … und einen Zwischenteil, der eine Art Bebop- oder Monk-Kürzel sein könne. Am Ende ist das kleine, langsam gespielte Motiv etwas bewegter als zu Beginn, dafür sind die Bässe im Intro sehr aktiv. Das Tempo nimmt im Lauf des Stückes Fahrt auf. Aus dem diverse Male wiederholten Thema, in dem die Saxophone immer wuchtiger werden, entwickelt sich allmählich eine Kollektivimprovisation, immer noch über das getragene Tempo, doch das Riff der Begleitung verschwindet irgendwann, die Bässe stossen – wie es die Drums längst taten – zum Kollektiv, Burrell herauszuhören ist nicht wirklich möglich … das ist von buchstäblich atemberaubender Dichte. Das Riff schleicht sich fast unmerklich wieder ein, bevor es nach elfeinhalb Minuten zu einem kurzen Stopp kommt und das thematische Material dann nochmal zwei Minuten repetiert – und natürlich variiert – wird. Im Triostück „Real“ wird es nicht weniger lärmig, weil Murrays Becken über längere Strecken fast den ganzen Raum einnehmen und Teile der Frequenzen des Saxophons wie des Basses völlig überdecken. Terroade spielt ein heftiges, im Gestus ziemlich vokales Solo, Favors scheint da und dort auf seine kantigen Phrasen zu reagieren. Im letzten Stück, „Red Cross“, gibt es wieder ein kleines Riff von den Saxophonen, dazu eine ähnliche Aufgabenteilung in der Rhythmusgruppe wie im Opener mit rasend-freien Drums und einer Struktur von Bass (und vermutlich Piano) – und die Trompete höre ich hier eindeutig, es gibt sogar kurze solistische Passagen bzw. Riffs mit einem der Saxophone, während andere weiterimprovisieren. Altsaxophone gibt es allerdings nur hier, die Line-Up-Angaben sind also jedenfalls nicht bloss vertauscht.
Eine halbe Stunde Musik nur, aber die hat Gewicht.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #168: Wadada & Friends - Neuheiten 2025 (Teil 2) - 9.12., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba